Berlin. Wenn es um die Sicherheitsgesetze in Deutschland geht, trennen FDP und Union Welten. Überall Dissens: bei der Vorratsdatenspeicherung, bei der Reform der Geheimdienste, bei den V-Leuten. Die Meinungsverschiedenheiten spiegeln sich nun auch in einem Expertenbericht.

Ist nichts Persönliches. Wenn es um die Sache geht, sind Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Hans-Peter Friedrich wie Feuer und Wasser. Gestern gaben die beiden Minister ihre Gegensätze zu Protokoll. Zwar stellten sie noch einträchtig den Bericht der Experten vor, die alle Sicherheitsgesetze überprüft haben. Aber wer die 282 Seiten aufmerksam liest, erkennt entlang der Fragen unschwer die Trennlinien: Hier die liberale Justizministerin, dort der CSU-Innenminister. Freiheit oder Sicherheit, der ewige Zielkonflikt.

Sechs Experten, von den Ministern ausgesucht, hatten in sieben Monaten alle Sicherheitsgesetze überprüft, die seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verabschiedet oder verschärft wurden. 25 Tage vor der Wahl können ihre Vorschläge nicht umgesetzt werden. Die Frage stellt sich erst für die nächste Regierung. Von einer „Alibi-Veranstaltung“ sprach denn auch SPD-Fraktionsmanager Thomas Oppermann. Einerseits.

Andererseits liefert die Gesamtschau quasi schon die Agenda für spätere Koalitionsverhandlungen. Werden Union und FDP im Amt bestätigt, werden sich die ungleichen Partner über viele Sicherheitsfragen streiten. Wo man hinschaut: Dissens. Als Hardliner unter den Experten fallen Ex-Generalbundesanwältin Monika Harms und Stefan Kaller auf. Er ist Friedrichs Mann für den Verfassungsschutz.

Streitfeld: Geheimdienste

Zum Militärischen Abschirmdienst (MAD) stellen vier Experten ganz unverhohlen die Sinnfrage. Der Geheimdienst der Bundeswehr - für Extremisten- und Spionageabwehr zuständig - sei nur zu rechtfertigen, wenn seine Aufgaben nicht genauso gut vom Bundesnachrichtendienst oder dem Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz erfüllt werden könnten. Ob noch eine ausreichende Rechtfertigung für den MAD bestehe - zumal nachdem die Wehrpflicht ausgesetzt wurde -, müsse umfassend geprüft werden, meint der frühere NRW-Innenminister Burkhard Hirsch, ein enger Parteifreund der Justizministerin. Harms und Kaller erwidern: Der MAD sei „gerechtfertigt und zwingend erforderlich“.

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Knackpunkt: Parlament

Eine Mehrheit plädiert dafür, dass das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) auch das Bundeskriminalamt (BKA) kontrolliert und dass die Mitglieder der G-10-Kommission „unter Mitwirkung des Bundestages gewählt werden.“ G-10: Das ist die Kommission, die Lausch- und Abhöraktionen genehmigen muss. Harms und Kaller haben auch dagegen Einwände.

Reizthema: V-Leute

Die Mehrheit mahnte gesetzliche Qualitätsmaßstäbe für Anwerbung und Auswahl der V-Leute an. Harms und Kaller halten neue Gesetze für überflüssig. Einig sind sich die Fachleute nur darin, dass sich die verschiedenen Sicherheitsbehörden wechselseitig über die V-Leute informieren sollten.

Dauerzwist: Vorratsdaten

Die Union kämpft seit Jahren verbissen für eine Speicherung der Kommunikationsdaten. Leutheusser-Schnarrenberger hält den Partner genau so unverdrossen hin. Sie sieht jetzt „keinen Handlungsbedarf“. Es gebe halt einen „unterschiedlichen Zugang und ein unterschiedliches Verständnis“. Erst mal wolle sie ein „wichtiges Verfahren“ vor dem Europäischen Gerichtshof abwarten. Welten prallen aufeinander. Noch ein Beispiel: Friedrich ist stolz darauf, dass Geheimdienste und Polizei sich enger austauschen. Die Mehrheit der Experten plädiert aber dafür, das Trennungsgebot wieder ernster zu nehmen. Andere Meinungen und Argumente seien immer gut, „ein spannendes Feld“, überspielte Friedrich seinen Ärger. Andere Unions-Politiker waren nicht bereit, aus ihrem Herzen eine Mördergrube zu machen. So warnte CSU-Mann Hans-Peter Uhl davor, die Arbeit der Behörden „unnötig zu erschweren“. Wer die Zusammenarbeit kritisiere, „ignoriert die Realitäten der inneren Sicherheit“, schimpfte Uhl.

Probleme auf Wiedervorlage

Die Gegensätze könnten unmöglich in Koalitionsverhandlungen ausgeräumt werden. Dafür sind Zeit- und Problemdruck zu groß. Prognose: Auf eine Arbeitsgruppe folgt die nächste. Zu einer Empfehlung rang sich die Expertenkommission jedenfalls einstimmig durch: Die nächste Regierung soll die Sicherheitsgesetze wissenschaftlich durch eine neue, diesmal unabhängige Institution untersuchen lassen. Bis 2015. Das heißt dann wohl: Auf Wiedervorlage.