Berlin. Es ist das TV-Event, das die Wahl mitentscheiden könnte: Beim TV-Duell am Sonntag kann Angela Merkel ihren Herausforderer Peer Steinbrück nicht weiter ignorieren. Unter der Moderation von Maybrit Ilner, Peter Kloeppel, Anne Will und Stefan Raab lässt sich die Meinung von Millionen formen.

Auf das letzte Wort waren beide erpicht. Also wurde gelost. Gewonnen hat Angela Merkel. Die Kanzlerin hält beim TV-Duell am Sonntag das letzte Statement. Ihr Herausforderer Peer Steinbrück darf dafür die erste Frage beantworten. Ansonsten überlassen sie nichts dem Zufall.

Alles ist penibel festgelegt, zäh ausgehandelt zwischen den Parteien und den Sendern ARD, ZDF, RTL, Pro7: Themenblöcke, Stehordnung, Position der Kameras, die maximale Redezeit pro Antwort (90 Sekunden), die Zahl der Betreuer (höchstens 30) im Studio B in Berlin-Adlershof. Es wird kein Studio-Publikum geben, ebenso wenig Film-Einspieler, auch keine Hilfsmittel. Papier und Stift – viel mehr steht jedem Duellanten nicht zu. 90 Minuten dauert die Sendung (ab 20.30 Uhr), das Zeitkonto wird minuziös kontrolliert.

Aggressiv und hochnäsig

Schon dem ersten TV-Duell im Jahr 2002 – Stoiber gegen Schröder – gingen Verhandlungen voraus „wie zwischen Nord- und Südkorea“, wie ein Beteiligter spottet. Kein Wunder, es geht um viel. Bei den bisherigen Duellen schalteten schon mal 15, 20 Millionen Zuschauer ein. Wenn die Kanzlerin eine Woche lang auf Tour ist, erreicht sie 25.000 Menschen.

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Beim Duell schauen außerdem Leute zu, die sich sonst kaum für Politik interessieren. Ein reizvolles Potenzial. Ganz zu schweigen von der Mobilisierung im eigenen Lager. Die Parteien laufen in dieser Phase des Wahlkampfs „auf Autopilot“, wie einer der Sekundanten erzählt: alles geplant und getimt. Aber ein Duell eröffnet ungeahnte Möglichkeiten. Die Kontrahenten nehmen es ernst. Steinbrück räumte seinen Terminkalender ab Freitag frei, Merkel ab Samstag. Abschalten, ausschlafen und sich sammeln.

TV-Duell im WDR zeigt, wie man es nicht macht

Bisher hat Merkel ihren Gegenspieler ignoriert. Am Sonntag aber erreicht Steinbrück Augenhöhe. Er ist witzig, gedankenschnell, rhetorisch stark. Das ist seine Chance. Seine Leute sollten sich sein TV-Duell im WDR gegen Jürgen Rüttgers angucken. Als Anschauungsunterricht: Wie man es nicht macht. Aggressiv, hektisch, hochnäsig. Rüttgers, damals Herausforderer, hielt ihm mit Einwänden den Spiegel vor. Erleben wir nun einen anderen Steinbrück?

Der Sozialdemokrat braucht einen „Punch“, heißt es im Willy-Brandt-Haus. Boxersprache. Er muss einen wirkungsvollen Treffer landen. Eine leichte Niederlage, ein Unentschieden würden Merkel nützen. Es würde sie nicht von der Erfolgsspur abdrängen.

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Wichtiger als Vorbereitung ist ein Kämpferherz

Man kann sich vorbereiten. Wichtiger ist ein Kämpferherz. Schröder hatte es. Von der ersten Einstellung an wirkte er sprungbereit wie eine Katze. Rauflust kann man nicht lernen, Taktik schon. 2002 sollte er seinen Kontrahenten Edmund Stoiber als Provinz-Politiker darstellen. Schröder war lange auf der Lauer, aber dann bot sich die Chance. Stoiber empfahl Freising als Vorbild für gute Politik, und Schröder konterte, er wolle doch nicht „Bundeskanzler von Freising“ werden, oder? Das war der Punch. Der Gag machte sofort die Runde.

2005 konnte sich Schröder ausmalen, dass man ihn auf die Rolle seiner Ehefrau im Wahlkampf ansprechen würde. Er reagierte mit einer Liebeserklärung vor den Kameras. Das bot Gesprächsstoff über die TV-Sendung hinaus. Das „Reden danach“ ist so wichtig wie das Duell selbst. Wer hat die Meinungshoheit?

Vier Themenblöcke

Die Duelle 2002 und 2005 haben die SPD gestärkt. 2009, in der Großen Koalition, flachte das Interesse ab. „Yes, we gähn“, ätzte „Spiegel Online“. Von der Stimmungslage profitierte Merkel. Vermutlich wird sie am Sonntag agieren wie damals: ruhig, sachlich, im Zweifel defensiv. Wer könnte sie aus der Reserve locken? Die meisten Fantasien beflügelt Stefan Raab. Die übrigen Moderatoren Anne Will, Maybrit Illner, Peter Kloeppel sind Insider. Showmaster Raab ist der Neuling, die „Rampensau“ und vergleichsweise ein politisch unbeschriebenes Blatt.

Die Moderatoren bilden Pärchen, Raab und Will, Illner und Kloeppel. Die Themenblöcke: Aktuelles, Geld, Soziales und Arbeit, Sicherheit und Ausklang. Das lässt viel Spielraum. Ein Sieger steht schon fest. Es ist das Fernsehen.