Berlin. . Die Gesundheitspolitik ist eines der Hauptkonfliktfelder im Bundestagswahlkampf. Aber wer blickt noch durch bei Bürgerversicherung und Co? Wir haben die Reformpläne der Parteien im Überblick.

Es ist ein erbitterter Streit, in dem es um Milliarden geht. Die Gesundheitspolitik ist nicht umsonst eines der Hauptkonfliktfelder im Bundestags-Wahlkampf. Während Union und FDP an den gesetzlichen und privaten Krankenkassen festhalten, möchten SPD, Grüne und Linkspartei die Bürgerversicherung einführen. Sie dürfte vor allem Gutverdiener und Betriebe belasten. Was kommt auf wen zu? Ein Überblick.

Bürgerversicherung

Die Ausgangslage: Die Opposition favorisiert die Bürgerversicherung, aber mit unterschiedlichen Akzenten. Die SPD möchte sie für Neuversicherte und bislang gesetzlich Versicherte verbindlich einführen. Also auch für Beamte und Selbstständige. Privatpatienten können sich ein Jahr lang überlegen, ob sie in eine gesetzliche Kasse wechseln.

Die Grünen pochen auf die Bürgerversicherung für alle und auf eine Wechselpflicht für privat Versicherte. Beide Parteien fordern außerdem eine einheitliche Honorarordnung, damit es sich für Ärzte nicht mehr lohnt, Privatpatienten zu bevorzugen.

Die Finanzierung: Nach den Plänen von SPD und Grünen sollen Arbeitgeber und -nehmer wieder denselben Krankenkassenbeitrag zahlen – derzeit zahlen Arbeitnehmer 0,9 Prozentpunkte mehr. Die Zusatzbeiträge sollen wegfallen. Beide Parteien wollen mehrere Einkommensarten zur Finanzierung hinzuziehen: die SPD Kapitalerträge, die Grünen Aktiengewinne, Zinsen und Mieten.

Die Beitragsbemessungsgrenze soll ganz wegfallen (SPD) oder von 3937 Euro auf das Niveau der Rentenversicherung von derzeit 5800 Euro steigen (Grüne). Ähnliches plant die Linke, die den Beitragssatz „bei etwas über zehn Prozent des Einkommens“ halten will.

Die Be- und Entlastungen: Laut diversen Gutachten, etwa von der Arbeiterwohlfahrt, könnte der Beitragssatz bei der Bürgerversicherung um ein bis zwei Prozentpunkte sinken. Arbeitnehmer mit geringem Gehalt würden weniger zahlen als bisher. Teurer dürfte die Versicherung für Gutverdiener und deren Arbeitgeber werden.

Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft warnt vor acht Milliarden Euro Zusatzkosten für die Wirtschaft. Demnach müsste ein Betrieb für einen Mitarbeiter mit 80 000 Euro Jahresgehalt brutto künftig 2231 Euro mehr für die Versicherung ausgeben. Bei einem Einkommen von 40 000 Euro wären es 80 Euro weniger. Nach den grünen Plänen müsste eine Firma in diesen Fällen 1527 Euro mehr bzw. 60 Euro weniger zahlen.

Zur Bürgerversicherung der Grünen kursieren Berechnungen, wonach ein kinderloser Single bei 2500 Euro brutto im Monat 33,75 Euro weniger als bisher bezahlen muss. Bei 6000 Euro brutto wären es 98,17 Euro zusätzlich. Ein Doppelverdiener mit zwei Kindern hätte Minderausgaben von 60,75 Euro bzw. Zusatzkosten von 89,02 Euro.

Das Kassensystem

Bisheriges Modell: Union und FDP lehnen die Bürgerversicherung ab, sie setzen auf mehr Wettbewerb und halten am Nebeneinander gesetzlicher und privater Kassen fest.

Die Liberalen wollen letztere „zukunftsfest“ machen – durch mehr Transparenz bei Basistarifen. Bei den gesetzlichen Kassen will die FDP die Budgetmedizin abschaffen und das Kostenerstattungsprinzip einführen. Demnach würde der Patient die Arztrechnung zunächst selbst bezahlen. Geplant ist auch eine größere Beitragsautonomie für die Kassen. Außerdem möchten die Liberalen künftige Kostensteigerungen über lohnunabhängige Beiträge oder Zusatzprämien finanzieren.

Die Union will die gesetzlichen Versicherer zur Prämienausschüttung verpflichten, wenn deren Rücklagen die gesetzliche Mindestreserve deutlich überschreiten.

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Die Be- und Entlastungen: Vor allem die FDP-Pläne haben für Betriebe Charme, da sie nicht stärker belastet würden. Für Versicherte könnten sich die Kosten durch Zusatzbeiträge oder Prämien nach oben oder unten entwickeln – je nachdem, wie erfolgreich ihre Kasse gewirtschaftet hat.

Die Pflege

SPD- und Grüne wollen auch hier die Bürgerversicherung einführen, während die FDP am bisherigen System und der staatlich geförderten Pflegezusatzversicherung festhält. Auch die Union plant keine Änderungen bei der Finanzierung.

Grundsätzlich steht die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs auf der Agenda. Die Zusatzkosten könnten sich laut Pflegebeirat der Regierung auf zwei bis vier Milliarden Euro summieren. Die SPD geht sogar von fünf Milliarden Euro aus. Je nach Modell würde die Pflegeversicherung um 0,2 bis 0,5 Prozentpunkte teurer. 0,1 Prozentpunkte entsprechen etwa einer Milliarde Euro.