Washington. . Die USA reagieren empört auf die russische Entscheidung, dem Geheimdienstinformanten Snowden Asyl zu gewähren. Von einem „Stich in den Rücken“ ist die Rede. Und eine neue Phase der diplomatischen Nickeligkeiten scheint angebrochen.
Neulich beim G8-Gipfel in Nordirland versuchte Barack Obama es noch mit Humor. Mit seinen Fähigkeiten im Basketball und Wladimir Putins Können im Judo sei es so: „Im Alter braucht man länger zur Regeneration.“ Nach dem letzten Lacher konterte der russische Präsident: „Der Präsident will mich nur locker stimmen mit seiner Bemerkung, dass er immer schwächer wird.“ Blattschuss. Beim nächsten Treffen der Weltmacht-Führer im September sind solche Episoden nicht zu erwarten. Schluss mit lustig.
Weil Moskau Washingtons Auslieferungsersuchen für den Datendieb Edward Snowden nicht nur ignoriert, sondern dem Ex-Geheimdienstmitarbeiter für ein Jahr Asyl gewährt, ist das schwierige Verhältnis der Supermächte auf Minusgrade abgekühlt. „Wir sind sehr enttäuscht“, ließ Obama-Sprecher Carney verlauten, er schloss diplomatische Vergeltungsmaßnahmen nicht aus. Vor dem Gipfeltreffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in St. Petersburg sollten Obama und Putin in Moskau zu einem Vier-Augen-Gespräch zusammentreffen. Nach der Snowden-Entscheidung werde die „Nützlichkeit“ dieses Treffens „neu bewertet“, so Carney.
Was hat Snowden dem russischen Geheimdienst gesagt?
Im Klartext: Obama ist stinksauer. Darüber, dass Russland sich als Schutzmacht für Snowden aufspielt, nachdem man ihn tüchtig abgeschöpft hat. Washington geht davon aus, dass der russische Geheimdienst dank Snowden intimes Wissen über die Arbeit des US-Auslandsgeheimdienstes NSA hat.
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Vor allem einflussreiche Republikaner drängen das Weiße Haus zu einer spürbaren Reaktion auf Moskaus „Stich in den Rücken“. So fordert der Ex-Präsidentschaftskandidat John McCain eine endgültige Abkehr von Obamas Wiederannäherungspolitik – bis hin zum möglichen Boykott der Olympischen Winterspiele 2014 im russischen Sotschi. Aus Sicht des Senators aus Arizona muss die Nato-Osterweiterung auf den Krisenstaat Georgien ausgedehnt und der Raketenschild für Osteuropa zügig installiert werden. Mehr noch: Amerika sollte russische Dissidenten mit offenen Armen aufnehmen.
Man bekämpft sich mit skurrilen Methoden
Empfehlungen, die Experten des Brooking-Instituts als „Wiederbelebung des Kalten Krieges“ werten. Andererseits: Wenn es schon bitterkalt ist – wo ist dann der Unterschied zur Eiszeit? Seit Putin als Präsident zurück ist, „bekämpfen sich Washington und Moskau mit skurrilen Methoden“, meint die konservative Heritage-Stiftung. Beispiel: Als Retourkutsche dafür, dass Washington nach dem Skandal um einen in Haft gestorbenen Menschenrechtler 18 russischen Funktionären die Einreise verbot, verhängte Moskau einen Bann gegen Amerikaner, die russische Babys adoptieren wollten.
Edward SnowdenWohin eine Eskalation im Fall Snowden führen wird, ist ungewiss. Obama müsse seine Gegenmaßnahmen gut kalkulieren, sagen Politikwissenschaftler der American University in Washington. „Amerika will von Russland im Augenblick mehr als Moskau von Washington.“
So sei Obama auf Putin angewiesen, wenn der Abzug der US-Soldaten aus Afghanistan durch Transitländer der GUS gehe. Auch in der Syrien-Frage und beim Atomkonflikt mit Iran könne Washington gegen ein „Njet“ der Russen nichts ausrichten. Von Obamas Ziel, die Zahl der Atomsprengköpfe weiter drastisch zu verringern, ganz zu schweigen.
Snowden hilft Putin auch im Innern
Erschwerend kommt hinzu, dass die Personalie Snowden Putin in die Hände spielt. Dass ein Amerikaner auf russischem Boden um Asyl bittet, „stärkt die nationale Einheit, die Putin gegen das angeblich feindselige Ausland aufgebaut hat, um innenpolitisch gegen rasant gefallene Beliebtheitswerte anzukämpfen“, meinen Sicherheitsexperten im Kongress.