Die USA haben Russland mit deutlichen Worten dafür kritisiert, dem Geheimdienstexperten Edward Snowden Asyl zu gewähren. Ein Sprecher des Weißen Hauses zeigte sich “sehr enttäuscht“ . Moskau hatte am Donnerstag nach wochenlangem Hin und Her erlaubt, dass Snowden nach Russland einreist.

Empörung, Wut, Entsetzen - selten ist die Weltmacht USA derart vorgeführt worden. Wochenlang hat Washington Moskau geradezu angefleht, Edward Snowden auszuliefern. Justizminister Eric Holder ließ sich sogar dazu herab, Russland öffentlich zu versichern, dass der Geheimdienst-Enthüller in den USA keine Folter zu fürchten brauche.

Alles vergeblich. Moskau zog es vor, Barack Obama eiskalt auflaufen zu lassen - und vor einer geplanten Russlandreise des US-Präsidenten. Steht eine neue Eiszeit zwischen beiden Ländern bevor?

"Wir sind sehr enttäuscht, dass die russische Regierung diesen Schritt trotz unserer offenen wie auch vertraulichen Anfragen vollzogen hat", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, am Donnerstag. Die Entscheidung Moskaus untergrabe eine seit langem bestehende Zusammenarbeit in der Strafverfolgung, die nach den Terroranschlägen beim Boston-Marathon einen Aufschwung erlebt habe.

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Sagt Obama sein Treffen mit Putin ab?

Ob es trotzdem ein Treffen zwischen US-Präsident Barack Obama und Kremlchef Wladimir Putin im Rahmen des G20-Gipfels in St. Petersburg geben wird, muss nach Angaben Carneys noch überdacht werden. Er stellte aber bereits klar: "Dies ist keine positive Entwicklung." Eine Sprecherin des US-Außenministeriums sagte, die USA seien über den Schritt Russlands nicht vorab informiert worden.

"Eine Schande, ein absichtlicher Schritt, die Vereinigten Staaten zu blamieren" - auch Senator John McCain, der ehemalige Präsidentschaftsbewerber, kann kaum die Fassung wahren. Wie viele andere in Washington ist er davon überzeugt, dass die Weisung, Snowden Asyl zu gewähren, nur von ganz oben aus dem Kreml kommen konnte - vom russischen Präsidenten Wladimir Putin persönlich.

Eine neue Eiszeit zwischen Russland und den USA droht 

McCain, der republikanische Vietnamveteran, fordert Obama auf, als Reaktion jetzt zur großen Keule zu greifen. "Die Zeit ist gekommen, die Beziehungen zu Putins Russland grundsätzlich zu überdenken."

Was McCain konkret fordert, würde nichts weniger als eine neue Eiszeit zwischen Washington und Moskau auslösen: Die Nato müsse ohne Zögern in Richtung Osten ausgeweitet werden (einschließlich Georgiens).

Das neue Raketenabwehrsystem in Europa solle ohne Rücksichtnahme auf russische Ängste und ohne Abstriche durchgeboxt werden. Und - "vermutlich das Wichtigste", so der Senator - die USA sollten Dissidenten und Putin-Gegnern in Russland offen den Rücken stärken. Das klingt fast nach Rückkehr zum Kalten Krieg.

Diplomatensprache für "Obama kocht vor Wut"

So weit geht das Weiße Haus zwar nicht. "Sehr enttäuscht", "keine positive Entwicklung" - das sind diplomatische Umschreibungen, deren einzige Aufgabe es ist, zu signalisieren, dass der Chef im Weißen Haus vor Wut kocht.

Edward SnowdenDoch mit konkreten Reaktionen hält sich das Weiße Haus zunächst zurück. Den G20-Gipfel in St. Petersburg ist Obama wohl nicht bereit zu kippen - das Treffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer ist schlichtweg zu wichtig für die USA. Doch praktisch gestrichen scheint ein geplantes Tête-à-tête in Moskau mit Putin vor dem Gipfel.

Doch kaum jemand in Washington glaubt, dass dies die einzige Antwort auf den Affront aus Moskaus bleibt. Zu sehr haben die USA sich für eine Auslieferung Snowdens ins Zeug gelegt, um jetzt einfach zum Tagesgeschäft übergehen zu können. Der Haken, auf den Insider in Washington hinweisen: Die USA brauchen Russland. Keine der großen Krisen wie Syrien, Nahost und Iran ist letztlich ohne Moskau zu lösen. (dpa)