Washington. Mit Demonstrationen in mehreren Städten haben Tausende Menschen in den USA gegen den Freispruch des Todesschützen von Trayvon Martin protestiert. Zugleich wächst der Druck auf das Justizministerium, George Zimmerman, der im vergangenen Jahr den schwarzen Jugendlichen in Florida erschossen hatte, erneut vor Gericht zu stellen.
Im vergangenen Jahr war es ein Heimspiel mit anschließender Jubel-Arie für Eric Holder. Als der erste afro-amerikanische Justizminister bei der Jahrestagung der einflussreichsten, mehr als 100 Jahre alten schwarzen Bürgerrechtsbewegung NAACP sprach, lagen ihm die Delegierten zu Füßen. In Orlando/Florida, wenige Kilometer entfernt von dem Ort, an dem der 17-jährige Trayvon Martin im Februar 2012 von dem weißen Nachbarschafts-Wächter George Zimmerman erschossen worden war, wird Holder am Dienstag mutmaßlich ein anderer Wind ins Gesicht wehen.
Beflügelt von mehreren Hunderttausend Online-Unterschriften und einem landesweit heftig anschwellenden Groll in der schwarzen Bevölkerung drängen die NAACP-Oberen den Minister, es nicht bei dem als empörend empfundenen Freispruch für Zimmerman in dem am Samstag beendeten Strafverfahren in Florida zu belassen. Auf Grundlage von seit 1969 bestehenden Bürgerrechtsgesetzen soll der 29-Jährige in einem zweiten Zivil-Verfahren vor ein Bundesgericht treten, um sich für den Tod des schwarzen Jugendlichen zu verantworten.
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Nach US-Recht ist das prinzipiell möglich. Zimmerman würde dann nicht erneut mit dem Vorwurf von Mord oder Totschlag konfrontiert. Sondern mit der absichtsvollen Verletzung eines fundamentalen Bürgerrechts: das Recht auf Leben. Darüber zu befinden hat der „Attorney General“, also Holder.
Bürgerrechtler unterstellen rassistische Motive
NAAC-Präsident Benjamin T. Jealous begründete den Vorstoß mit dem Argument, Zimmerman habe vor der tödlichen Begegnung mit Trayvon Martin mehrere Jahre in seinem Wohnumfeld regelmäßig die Polizei angerufen, um afro-amerikanische Jugendliche pauschal krimineller Umtriebe zu bezichtigen. Auch sein Motiv, Martin zu stellen und zu verfolgen, sei rassistisch motiviert gewesen.
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Holders Ministerium hatte bereits kurz nach dem Tod des 17-Jährigen eigene Untersuchungen durch die Bürgerrechtsabteilung von Tom Perez eingeleitet. Während des Strafrechtsprozesses in Florida lagen sie auf Eis. Gestern nahmen Bundesanwälte den Faden wieder auf. Ein Ende der neuerlichen Prüfungen ist noch nicht abzusehen.
Für Holder ist die Lage verzwickt. Leitet er ein neues Verfahren ein, macht er sich in weißen, konservativen Wählerschichten verdächtig, der afro-amerikanischen Bevölkerung eine Gefälligkeit zu erweisen. Verweigert er einen zweiten Prozess, könnte ihm viele Schwarze mangelnde Courage vorwerfen.
Druck auf die Regierung von Präsident Obama steigt
Aus dem Justizministerium hieß es gestern, die Anforderungen für einen Prozess auf der Grundlage eines „Hass-Verbrechens“ (hate crime) seien enorm hoch. Es müsse der eindeutige Nachweis erbracht werden, dass der Täter mit einer „spezifischen Absicht“ und einer „bestimmten Geisteshaltung“ vorgegangen sei. Im Strafprozess in Florida verzichtete die Staatsanwaltschaft auf den Vorwurf, dass George Zimmermann ein ausgewiesener Rassist sei.
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Unterdessen steigt der Druck auf die Regierung von Präsident Obama, der am Sonntag zu „ruhigem Nachdenken“ und Gewaltverzicht aufgerufen hatte. Landesweit gibt es teils hoch emotionale Demonstrationen gegen den Freispruch für Zimmermann. Weite Teile der schwarzen Bevölkerung bezeichnen das Urteil als zutiefst ungerecht. Leonard Pitts Jr., schwarzer Autor und Pulitzerpreisträger, schrieb im „Miami Herald“, der Fall zeige auf fatale Weise, dass Amerika noch immer eine Nation sei, „die Schwarz als die natürliche Farbe der Kriminalität ansieht“.