Kairo. US-Präsident Barack Obama hat mit Ägyptens Präsident Mursi telefoniert - und ihn um einen versöhnlichen Kurs gebeten. In Ägypten stellt die Armee ein Ultimatum, um den Machtkampf zwischen den politischen Lagern beizulegen. Präsident Mursis Anhänger rufen zu Massendemonstrationen auf. Mehrere Minister reichen den Rücktritt ein.

In Ägypten nimmt die Staatskrise nach den Massenprotesten gegen Präsident Mohammed Mursi immer dramatischere Züge an. Mursi wies in der Nacht ein von der Armeeführung zuvor gesetztes 48-Stunden-Ultimatum zur Verständigung mit der Opposition zurück. Die Erklärung der Armeeführung sei mit ihm nicht abgesprochen gewesen, erklärte Mursis Büro. Zudem riskiere die Armee mit Teilen ihrer Erklärung, weiter für Verwirrung in der gegenwärtigen Lage beizutragen, kritisierte das Präsidialbüro.

Mursis umstrittene Ernennung eines Generalstaatsanwalts ist am Dienstag vom obersten ägyptischen Berufungsgericht kassiert worden. Dieses hat die Entlassung des von Präsident Mohammed Mursi ernannten Generalstaatsanwalts bestätigt. Sie war von einem anderen Gericht verfügt worden. Das Berufungsgericht habe zudem angeordnet, dass der Vorgänger von Talaat Abdallah, Abdel Meguid Mahmud, den Posten wieder übernehme, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Mena am Dienstag.

Abdallahs Ernennung war von der Opposition scharf kritisiert worden. Sie warf ihm Parteilichkeit und zu große Nähe zur islamistischen Regierung vor. Er habe seine Position genutzt, um gegen Kritiker des Präsidenten juristisch vorzugehen. Vor Verletzungen der Menschenrechte habe er hingegen die Augen verschlossen.

Obama telefonierte mit Mursi

US-Präsident Barack Obama hat den umstrittenen ägyptischen Staatschef Mohammed Mursi zu einer versöhnlichen Haltung in der politischen Krise seines Landes aufgerufen. Obama habe Mursi in einem Telefonat seine Unterstützung des Demokratisierungsprozesses in Ägypten zugesichert, sagte ein US-Regierungsvertreter am Dienstag. Zugleich habe der US-Präsident klargestellt, dass Washington "keine einzelne Partei" unterstütze.

Obama habe in dem Gespräch mit Mursi daran erinnert, "dass Demokratie mehr bedeutet als Wahlen", sagte der Regierungsvertreter weiter: Es gehe auch darum, "dass die Stimmen aller Ägypter gehört und von ihrer Regierung repräsentiert werden." Dies schließe auch "die vielen Ägypter, die landesweit demonstrieren" ein.

Mursi kündigte derweil an, an seinem eigenen Vorschlag für einen nationalen Dialog festhalten zu wollen. "Die Präsidentschaft bestätigt, dass sie auf ihrem bereits zuvor geplanten Weg zu einer nationalen Versöhnung fortschreiten werde, ungeachtet jeglicher Stellungnahmen, die die Spaltung zwischen Bürgern vertiefen", ließ Mursi offenbar in Anspielung auf die Erklärung der Armeeführung mitteilen. Die Armee hatte sich am Montag in die Staatskrise eingeschaltet und in einer dramatischen Erklärung ultimativ eine Lösung des Machtkampfes binnen 48 Stunden gefordert. Damit verpflichtete sie de facto den Präsidenten, auf die Forderungen der Demonstranten zumindest teilweise einzugehen. Andernfalls werde sie der Politik den Weg weisen, erklärte die Armee. Sie bestritt aber, dass es sich dabei um eine Putschdrohung handele.

Auch Außenminister soll Rücktritt eingereicht haben

In der Nacht reichte mit Außenminister Mohamed Kamel Amr nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Mena das bislang ranghöchste Kabinettsmitglied seinen Rücktritt ein und verstärkte damit den Druck auf den islamistischen Präsidenten. Weitere Details waren zunächst nicht bekannt. Bereits zuvor am Montag waren fünf Minister offenbar aus Sympathie für die Opposition gegen Mursi zurückgetreten. Mursi telefonierte noch in der Nacht nach offiziellen Angaben mit US-Präsident Barack Obama.

Der ägyptische Präsident habe dabei versichert, dass das größte arabische Land Fortschritte beim Übergang zu einer Demokratie mache, erklärte das Präsidialamt in Kairo. Über weitere Inhalte wurde nichts bekannt. Am Wochenende hatten Millionen Demonstranten den Rücktritt des Islamisten Mursi gefordert, der seit genau einem Jahr im Amt ist. Sie werfen ihm autokratisches Gebaren und eine Islamisierung des größten arabischen Staates vor. Außerdem machen sie Mursi für die extrem schlechte Wirtschaftslage und die dramatischen Versorgungsengpässe verantwortlich.

Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern halten an

Auch die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern von Mursi hielten an. Augenzeugen berichteten am Montagabend aus der Stadt Suez von fortdauerndem Schusswechsel. "Gewehrfeuer ist überall zu hören", sagte ein Augenzeuge. Anhänger und Gegner Mursis lieferten sich an verschiedenen Stellen der Stadt Gefechte.

Auch in Kairo weiteten Gegner des Präsidenten ihre Angriffe auf Gebäude islamistischer Parteien aus. Am Montagabend wurde dort die Zentrale der Wasat-Partei in Brand gesteckt. Die Partei war in den 1990er Jahren von Mitgliedern der Muslimbrüder gegründet worden und erst nach dem Sturz von Machthaber Husni Mubarak offiziell erlaubt worden. Demonstranten hatten zuvor bereits den Hauptsitz der Muslimbrüder gestürmt und in Brand gesetzt. (Reuters/dpa/afp)