Berlin. . Offenbar wird innerhalb der SPD erwogen, einer Großen Koalition eine Absage zu erteilen. Zwischen 2005 und 2009 habe sich die Regierungsbeteiligung nicht ausgezahlt. „Wir haben hart gearbeitet. Was hat es uns gebracht?“, fragte Peer Steinbrück vor der Fraktion. Die Antwort lautet: 23 Prozent. Doch welche Optionen bleiben?

Es sind 84 Tage bis zur Bundestagswahl. Das Wochenende brachte eine kleine Klärung. FDP-Chef Philipp Rösler hat eine „Ampel“-Koalition mit Rot-Grün ausgeschlossen. Damit hat die SPD eine Machtoption weniger. Wenn es für Rot-Grün nicht reicht, bleiben zwei Alternativen: Ein Bündnis mit Grünen und Linkspartei, was die SPD-Spitze ablehnt, oder eine Große Koalition. Laut „Welt am Sonntag“ erwägen die Sozialdemokraten, einem Bündnis mit der Union eine Absage zu erteilen. Pure Spekulation.

Wahr ist, dass die aktuellen Umfragen ein strategisches Dilemma bloßlegen. Sie deuten darauf hin, dass die SPD nach der Wahl sich entweder auf ein Bündnis mit der Union einlässt (falls sie überhaupt gebraucht wird) oder in die Opposition geht. Gefühlt wäre es die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Die Ängste der Basis

Sigmar Gabriel kennt die Gefühlslage der SPD. Auf der letzten Fraktionssitzung beteuerte der Parteichef, „wir werden bei der Bundestagswahl nicht für ein paar Regierungsämter die Seele der Partei verkaufen.“ Faktisch hat er nur versprochen, dass man sich teuer verkaufen will. Aber psychologisch griff er die Ängste der eigenen Leute auf. Denn es hat sich zwischen 2005 und 2009 nicht ausgezahlt, mit Angela Merkel zu regieren. „Wir haben in der letzten Großen Koalition hart gearbeitet. Was hat es uns gebracht?“, fragte Peer Steinbrück vor der Fraktion. Die Antwort lautet: 23 Prozent. Das ist das Ergebnis der letzten Wahl, ein Trauma. Man hat Angst vor einer weiteren Verzwergung der SPD.

Der Kanzlerkandidat hat für sich selbst längst klar gemacht: Er will nicht Minister unter Merkel werden. Zumal die nächste Große Koalition kein Bündnis auf Augenhöhe wäre. Die SPD wäre deutlich kleiner als die Union, ein Juniorpartner. Auch für die SPD-geführten Länder ist es eine Horrorvorstellung. Sie geben im Bundesrat den Ton an. Die wahren Oppositionsführer hießen wohl Hannelore Kraft oder Stephan Weil. Aber wenn ihre Partei im Bund regiert, müssten sie Rücksicht üben.

Große Koalition?

Das wichtigste Motiv, um eine Große Koalition auszuschließen, wären nicht die Befindlichkeiten oder etwa die Beinfreiheit der Länderchefs, sondern die SPD-Basis. Mit der Aussicht auf eine Große Koalition kann man die eigenen Leute nicht mobilisieren. Anders herum: Die Absage einer Großen Koalition ließe sich als rote Karte für die Schwarzen verkaufen. Es ist spekulativ, aber denkbar, dass die SPD zur Not eine Große Koalition ausschließt. Dies könnte aber frühestens in der Endphase des Wahlkampfs in Betracht kommen.

Es wäre ein Signal der Schwäche. Es könnte so gedeutet werden, dass die SPD sich auf Opposition einrichtet. Für die Grünen wäre es ebenfalls eine neue Geschäftsgrundlage. Denn sie müssten sich fragen, ob sie auch die Opposition anstreben oder ob ein Bündnis mit der Union in Frage käme. Es kommt nun darauf an, wie stark Union und FDP ein, zwei Wochen vor der Wahl sind; ob es für Schwarz-Gelb reicht.

Umgang mit der Niederlage

Dass überhaupt spekuliert wird, zeigt eins: In den Hinterköpfen geht es um den Umgang mit einer Niederlage. Zur Stimmungslage passt, dass sich der SPD-Fraktionschef Frank- Walter Steinmeier nicht mehr bemüht, Streit zu kaschieren. „Die Debatte darüber müssen wir aushalten“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Am 22. September um 18.01 Uhr beginnt in der SPD ein schonungsloser Klärungsprozess.