Washington. . Mehrere Europäische Länder arbeiten seit Jahren mit den USA geheimdienstlich zusammen. Dass nun europäische Politiker aufschreien, ist für einen NSA-Veteranen „scheinheilig“.

„Abscheulich“, „eine große Belastung für die europäisch-amerikanischen Beziehungen“, „inakzeptabel“: Mehrere führende europäische Politiker kritisieren scharf die am Wochenende bekannt gewordene Spionage der USA. Das müsse sofort aufhören, forderte etwa Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn gegenüber Spiegel-Online. Und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) forderte die Regierung in Washington dringend zur Stellungnahme auf.

Doch ein Obama-Sprecher lehnte während der Afrika-Reise des Präsidenten jeden Kommentar ab und verwies auf ausstehende Prüfungen. Stattdessen redet ein umstrittener, gleichwohl kenntnisreicher Experte: Wayne Madsen, der von 1985 an zwölf Jahre lang bei der NSA beschäftigt war. Er hat kein Verständnis für die große Empörung, schließlich, sagt er, kooperierten einige EU-Länder seit Jahren geheimdienstlich mit den USA.

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Der Geheimdienst-Experte neigt zu kruden Verschwörungstheorien. Dennoch stellte ihn der „Observer“ – Schwesterblatt der im Fall Edward Snowden federführenden britischen Zeitung „Guardian“, in den Mittelpunkt einer neuen Enthüllungsgeschichte. Brisanter Inhalt: Dänemark, die Niederlande, Frankreich, Spanien, Italien und Deutschland unterhielten seit langem mit den USA geheime Abkommen, die das Abgreifen und Verwerten sensibler Daten betreffen.

Nach den Vereinbarungen, die im Kern bereits seit Ende des Zweiten Weltkrieg gelten würden, bekomme die amerikanische „National Security Agency“ (NSA) den „Löwenanteil“ der Datenmengen aus verschiedenen Kommunikationskanälen.

Als Gegenleistung nachrichtendienstliche Erkenntnisse

Als Gegenleistung, so Madsen, erhielten die Partner „hochgradig gefilterte nachrichtendienstliche Erkenntnisse“.

Madsen zeigte sich in einem Interview mit der Internet-Fachseite PrivacySurgeon.org.blog bestürzt über den „scheinheiligen Aufschrei“ europäischer Spitzenpolitiker, die über jüngst öffentlich gemachte US-Spähprogramme wie „Prism“ geradezu einen „Schockzustand simulierten“ – ohne über ihre aktive Rolle in der Zusammenarbeit bei der Daten-Überwachung Auskunft zu geben.

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Madsen wörtlich: „Ich verstehe nicht, wie Angela Merkel von Obama und Großbritannien – ohne eine Miene zu verziehen – Zusicherungen verlangt, während Deutschland exakt diese geheimdienstlichen Beziehungen eingegangen ist.“ Der „Guardian“ hat den Bericht über Wayne Madsen am Sonntag vorläufig zurückgezogen. Es stünden noch Untersuchungen an, hieß es.

Über den Wahrheitsgehalt seiner Kern-Aussage, dass mehrere europäische Staaten geheimdienstlich eng mit den USA kooperieren, dies aber nicht laut sagen, besteht allerdings aus Sicht von Regierungskreisen in Washington kein Zweifel. Dort verweist man auf einen umfangreichen Bericht des Europa-Parlaments aus dem Jahr 2000. Nach Bekanntwerden des amerikanisch-britischen Abhörsystems Echelon, mit dem rund um die Welt Faxe, E-Mails, Telefonate und Internet-Botschaften nach verdächtigen Schlüsselwörtern gerastert werden, stellte eine Untersuchungskommission fest, dass Deutschland mit Washington und London beim Betrieb des schon damals riesigen Abhörsystems „kooperiert“.