Washington. Die US-Justizbehörden haben lange für ihre formelle Anklage gegen den mutmaßlichen Bombenleger von Boston gebraucht - aber dafür ist sie besonders umfassend. Von der Nutzung von Massenvernichtungswaffen über Mord bis zu Verschwörung ist alles dabei.

Der überlebende mutmaßliche Bombenattentäter vom Bostoner Marathonlauf, Dschochar Zarnajew, ist wegen vierfachen Mords und des Gebrauchs einer Massenvernichtungswaffe angeklagt worden. Eine sogenannte Grand Jury aus Laienrichtern habe Zarnajew insgesamt 30 Anklagepunkte zur Last gelegt, teilte die Bundesstaatsanwaltschaft in der US-Ostküstenstadt am Donnerstag mit. Allein auf 17 der Anklagepunkte stünden die Todesstrafe oder lebenslange Haft.

Der 19-jährige Zarnajew soll gemeinsam mit seinem 26-jährigen Bruder Tamerlan zwei Bomben im Zieleinlauf des Bostoner Marathons gelegt haben. Bei dem Anschlag Mitte April wurden drei Menschen getötet und mehr als 260 weitere verletzt. Auf ihrer Flucht sollen die aus einer tschetschenischen Familie stammenden Brüder außerdem einen Polizisten erschossen haben.

Ältere Bruder wurde bei Verfolgungsjagd getötet

Die Ermittler kamen Tamerlan und Dschochar Zarnajew durch Videoaufnahmen auf die Spur, die Überwachungskameras am Anschlagsort gemacht hatten. Der ältere Bruder wurde wenige Tage nach der Attacke bei einer nächtlichen Verfolgungsjagd mit der Polizei getötet. Dschochar Zarnajew wurde kurz darauf schwer verletzt gefasst.

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Die Ermittler vermuten einen radikalislamischen Hintergrund. Ende April hatte die US-Justiz ein Strafverfahren gegen den jüngeren Zarnajew eingeleitet. Eine Grand Jury entschied nun, dass die Beweise gegen den mutmaßlichen Attentäter für eine Anklage ausreichen. Am 10. Juli soll er zur Verlesung der Anklage erstmals vor Gericht erscheinen, wie die Staatsanwaltschaft am Donnerstag erklärte.

Bomben aus Schnellkochtöpfen, Schwarzpulver und Splittern

In der Anklageschrift wird Zarnajew vorgeworfen, spätestens ab Februar dieses Jahres gemeinsam mit seinem Bruder einen Bombenanschlag geplant zu haben. Am 15. April hätten die Brüder dann zwei Sprengsätze inmitten der jubelnden Menge beim Bostoner Marathon gelegt und diese im Abstand von wenigen Sekunden gezündet. Die Bomben bauten die beiden den Angaben zufolge selbst aus Schnellkochtöpfen, Schwarzpulver und Splittern zusammen.

Als die Bundespolizei FBI die Fahndungsfotos der Verdächtigen veröffentlichte, seien die Zarnajew-Brüder am 18. April mit fünf weiteren Sprengsätze, einer halbautomatischen Pistole, einer Machete sowie einem Jagdmesser zum Campus der Universität MIT gefahren. Dort hätten sie den Polizisten Sean Collier erschossen, heißt es in der Anklageschrift. Anschließend hätten die Brüder einen Mercedes gestohlen, den Fahrer entführt und ausgeraubt.

Attentäter handelten wohl allein

Nachdem ihre Geisel flüchten konnte, sollen Tamerlan und Dschochar Zarnajew sich den Angaben zufolge eine Schießerei mit Polizisten geliefert haben. Dabei hätten die Brüder vier weitere Bomben auf die Beamten geworfen. Dschochar Zarnajew habe dann auf der Flucht seinen Bruder mit dem Mercedes überfahren. Anschließend habe sich der 19-Jährige im Bostoner Vorort Watertown in einem trockengelegten Boot versteckt, wo er am darauffolgenden Abend festgenommen worden sei.

Großfahndung in Boston

Wenige Tage nach den Anschlägen beim Boston Marathon kam es auf dem Gelände der Elite-Universität MIT nahe der Stadt Watertown zu einer Schießerei. Dabei starb ein Polizist. Bei der anschließenden Verfolgungsjagd wurde der Verdächtige erschossen. Er soll einer der Attentäter beim Marathon gewesen sein. Ein weiterer Verdächtiger ist auf der Flucht. Die Polizei sucht nach dem Verdächtigen in Watertown mit SWAT- und FBI-Teams.Ein Polizist richtet sein Gewehr auf einen am Boden liegenden Mann in Watertown, Massachusetts.
Wenige Tage nach den Anschlägen beim Boston Marathon kam es auf dem Gelände der Elite-Universität MIT nahe der Stadt Watertown zu einer Schießerei. Dabei starb ein Polizist. Bei der anschließenden Verfolgungsjagd wurde der Verdächtige erschossen. Er soll einer der Attentäter beim Marathon gewesen sein. Ein weiterer Verdächtiger ist auf der Flucht. Die Polizei sucht nach dem Verdächtigen in Watertown mit SWAT- und FBI-Teams.Ein Polizist richtet sein Gewehr auf einen am Boden liegenden Mann in Watertown, Massachusetts. © REUTERS
Das FBI-Team durchsucht ganz Watertown nach dem zweiten Verdächtigen. Dabei sprechen sie auch mit den Anwohnern.
Das FBI-Team durchsucht ganz Watertown nach dem zweiten Verdächtigen. Dabei sprechen sie auch mit den Anwohnern. © dpa
In einem Appartmenthaus vermuten die Polizisten den flüchtigen Verdächtigen.
In einem Appartmenthaus vermuten die Polizisten den flüchtigen Verdächtigen. © AFP
Das FBI veröffentlichte dieses Fahndungsfoto von dem gesuchten, mutmaßlichen Attentäter von Boston. Sein Name ist Dzhokhar Tsarnaev.
Das FBI veröffentlichte dieses Fahndungsfoto von dem gesuchten, mutmaßlichen Attentäter von Boston. Sein Name ist Dzhokhar Tsarnaev. © AFP
Zwei Beamte des SWAT-Teams gehen mit angehaltener Waffe in ein Wohnhaus.
Zwei Beamte des SWAT-Teams gehen mit angehaltener Waffe in ein Wohnhaus. © dpa
Die Nachbarschaft kooperiert mit einem FBI-Agenten.
Die Nachbarschaft kooperiert mit einem FBI-Agenten. © dpa
Ein FBI-Agent ruft seinen Kollegen Anweisungen zu.
Ein FBI-Agent ruft seinen Kollegen Anweisungen zu. © dpa
Weiträumig sicherte die Polizei die Stadt Watertown, um nach dem zweiten Verdächtigen zu suchen.
Weiträumig sicherte die Polizei die Stadt Watertown, um nach dem zweiten Verdächtigen zu suchen. © AFP
Auch das Einkaufszentrum wurde von Polizisten bewacht.
Auch das Einkaufszentrum wurde von Polizisten bewacht. © AFP
Ein FBI-Agent wartet auf weitere Anweisungen.
Ein FBI-Agent wartet auf weitere Anweisungen. © dpa
Eine alte Frau musste per Krankenwagen evakuiert werden. Die Polizei musste die Menschen in Watertown in Sicherheit bringen, als sie nach dem zweiten Flüchtigen suchte.
Eine alte Frau musste per Krankenwagen evakuiert werden. Die Polizei musste die Menschen in Watertown in Sicherheit bringen, als sie nach dem zweiten Flüchtigen suchte. © AFP
Ein Polizeihelikopter kreist über der Nachbarschaft in Watertown.
Ein Polizeihelikopter kreist über der Nachbarschaft in Watertown. © dpa
Mehrere Polizisten sondieren die Lage.
Mehrere Polizisten sondieren die Lage. © REUTERS
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen.
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen. © AFP
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen.
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen. © dpa
Schwer bewaffnet sucht die Polizei in Watertown nach Verdächtigen.
Schwer bewaffnet sucht die Polizei in Watertown nach Verdächtigen. © REUTERS
Polizeiautos durchkämmen die Nachbarschaft rund um den Campus.
Polizeiautos durchkämmen die Nachbarschaft rund um den Campus. © dpa
Ein Polizist richtet seine Pistole auf einen am Boden liegenden Mann.
Ein Polizist richtet seine Pistole auf einen am Boden liegenden Mann. © REUTERS
Ein Mann liegt auf dem Boden. Die Polizei hatte Schusswaffen auf ihn gerichtet.
Ein Mann liegt auf dem Boden. Die Polizei hatte Schusswaffen auf ihn gerichtet. © REUTERS
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen.
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen. © dpa
Die Polizisten richten ihre Waffen auf ein Haus, in dem sie einen Verdächtigen vermuten.
Die Polizisten richten ihre Waffen auf ein Haus, in dem sie einen Verdächtigen vermuten. © AFP
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen.
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen. © dpa
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen.
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen. © dpa
Mit gepanzerten Fahrzeugen durchstreift die Polizei die Stadt. Für ganz Boston wurde eine Ausgangssperre verhängt.
Mit gepanzerten Fahrzeugen durchstreift die Polizei die Stadt. Für ganz Boston wurde eine Ausgangssperre verhängt. © dpa
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen.
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen. © dpa
Die Polizei verhaftet einen Verdächtigen und legt ihm Handschellen an.
Die Polizei verhaftet einen Verdächtigen und legt ihm Handschellen an. © AFP
Ganz schnell muss es gehen, als die Polizei einen Verdächtigen ausmacht.
Ganz schnell muss es gehen, als die Polizei einen Verdächtigen ausmacht. © AFP
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen.
Polizisten suchen in den Straßen rund um den Campus nach Verdächtigen. © AFP
Sicherheitskräfte warten an einem schwarzen Wagen darauf, dass sie die Gegend nach dem zweiten Verdächtigen absuchen können.
Sicherheitskräfte warten an einem schwarzen Wagen darauf, dass sie die Gegend nach dem zweiten Verdächtigen absuchen können. © AFP
Ein Bombenspezialist des Spezialteams bringt sich in Sicherheit nachdem er ein bisher undefiniertes Objekt kontrolliert gesprengt hat.
Ein Bombenspezialist des Spezialteams bringt sich in Sicherheit nachdem er ein bisher undefiniertes Objekt kontrolliert gesprengt hat. © Reuters
Ein Polizist überprüft die Tasche eines Radfahrers.
Ein Polizist überprüft die Tasche eines Radfahrers. © AFP
Die Polizei durchsucht ein Appartmenthaus in Watertown.
Die Polizei durchsucht ein Appartmenthaus in Watertown. © AFP
Die Anwohner werden evakuiert von der Polizei.
Die Anwohner werden evakuiert von der Polizei. © dpa
Schwer bewaffnet ziehen die Polizisten durch die Stadt Watertown und auch in Boston.
Schwer bewaffnet ziehen die Polizisten durch die Stadt Watertown und auch in Boston. © dpa
Einige Blocks entfernt von dem evakuierten Appartmenthaus warten die Anwohner.
Einige Blocks entfernt von dem evakuierten Appartmenthaus warten die Anwohner. © dpa
Anwohner schauen sich den Auflauf der Polizisten genau an und schießen Fotos.
Anwohner schauen sich den Auflauf der Polizisten genau an und schießen Fotos. © dpa
Mit einem Bombenspürhund suchen die Polizisten in Boston nach Sprengsätzen.
Mit einem Bombenspürhund suchen die Polizisten in Boston nach Sprengsätzen. © Reuters
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Bei der Suche nach einem Motiv hatte das FBI vor allem eine sechsmonatige Kaukasus-Reise von Tamerlan Zarnajew im vergangenen Jahr unter die Lupe genommen. Dort könnte der ältere Bruder mit radikalen Islamisten in Kontakt gestanden haben. Die US-Behörden gehen aber davon aus, dass die Attentäter allein handelten.

Dschochar Zarnajew soll Medienberichten zufolge vor seiner Festnahme in seinem Versteck ein Bekennerschreiben verfasst haben. Er habe den Anschlag darin als Vergeltung für US-Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan bezeichnet. "Wer einen Muslim angreift, greift alle Muslime an", soll der 19-Jährige an die Innenwand des Boots gekritzelt haben. (dpa/afp)