Washington.. Der mutmaßliche Attentäter von Boston ist ansprechbar. Hinter dem Anschlag auf den Marathon habe kein Terrornetzwerk gesteckt. Der Prozess gegen den 19-Jährigen vor einem zivilem Bundesgericht soll Ende Mai beginnen. Ihm droht die Todestrafe.
Sie hätten ohne Nabelschnur zu einem Terrornetzwerk getötet. Der große Bruder sei die treibende Kraft gewesen. Sein Motiv: vor dem Hintergrund der Kriege im Irak und Afghanistan den vom Westen „bedrohten“ Islam zu „verteidigen“. Das sind die wichtigsten Informationen, die Dschohar Zarnajew Vertretern der amerikanischen Justiz bisher gegeben hat. Ob die Angaben des 19-Jährigen über die Hintergründe des Bombenanschlags auf den Marathonlauf in Boston stimmen, wird ein Prozess vor einem zivilen Bundesgericht zeigen, in dem Zarnajew die Todesstrafe droht. Geplanter Auftakt: Ende Mai.
Der auf der Flucht vor der Polizei schwer verletzte und künstlich beatmete Medizinstudent verständigte sich mit Nicken und Kopfschütteln, als Richterin Marianne Bowler ihm den Auftakt der juristischen Aufarbeitung des Terroranschlags ans Krankenbett brachte. Nur einmal - auf die Frage, ob er sich einen Anwalt leisten könne - sagte er laut Justizministerium hörbar „Nein“.
Video: Zarnajew telefoniert gelassen nach der ersten Explosion
Dschohar Zarnajew ist nach FBI-Angaben auf Videoaufnahmen zu sehen, wie er am 15. April im Moment der ersten Bombenexplosion an der Boylston Street in Boston gelassen mit dem Handy telefoniert, während um in herum Zuschauer in Panik geraten. Wenig später sei zu erkennen, wie Zarnajew die zweite Bombe deponiert und zehn Sekunden vor der Explosion den Schauplatz verlässt.
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Bei seinem Verhör auf der Intensivstation erklärte der vor zehn Jahren aus Kirgistan in die USA gekommene und inzwischen die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzende Zarnajew, dass sein Bruder mit dem Anschlag „den Islam verteidigen wollte“. Beeinflusst seien beide auch durch die US-geführten Kriege in Afghanistan und Irak gewesen, berichtet die „Washington Post“. Beide gelten als strenggläubige Muslime. Tamerlan starb am vergangenen Freitag nach einer Schießerei mit der Polizei. Der 26-Jährige hatte sich nach vorläufigen Erkenntnissen der Ermittler in den vergangenen Jahren eine militante, kompromisslose Auslegung des Koran zu eigen gemacht. In einer Bostoner Moschee beschimpfte er im Januar einen Iman als „Ungläubigen“. Daneben war der Amateur-Boxer häufig auf radikal-islamischen Internetseiten unterwegs.
War Tamerlan Zarnajew in unaufgeklärten Dreifach-Mord verstrickt?
Der russische Geheimdienst hatte die Bundespolizei FBI 2011 gebeten, Zarnajew unter die Lupe zu nehmen. Man befürchtete ein Abdriften des gebürtigen Tschetschenen in islamistische Kreise. Das FBI fand dafür keine Anhaltspunkte.
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Dass Tamerlan Zarnajew im Sommer 2012 von einem sechsmonatigen Russland-Aufenthalt unerkannt in die USA zurückkehren konnte, sei möglicherweise durch einen Schreibfehler des Namens zu erklären, schreiben US-Zeitungen unter Berufung auf das FBI. Während dieses Aufenthaltes hatte Tamerlan nach Recherchen des „Time“-Magazins mehrfach Kontakt zu einer von radikalen Salafisten dominierten Moschee in der Krisenrepublik Dagestan.
Die Polizei in Boston untersucht außerdem, ob Tamerlan Zarnajew in einen unaufgeklärten Dreifach-Mord verwickelt ist. Am 11. September 2011, dem Jahrestag der Terror-Anschläge von 2001, wurden drei Männer im Vorort Waltham massakriert aufgefunden.
Darunter Brendan Mess. Den 25-Jährigen hatte Tamerlan mehrfach als seinen besten Freund bezeichnet. Bei der Beerdigung erschien Zarnajew nicht.
Unterdessen ist die Zahl der Verletzten des Bomben-Attentats auf 282 gestiegen. Viele Patienten hätten Nachwirkungen der Explosionen, Hörstürze etc., erst jetzt angegeben, sagte ein Stadtsprecher. 48 Patienten liegen noch in Krankenhäusern. Ein siebenjähriges Mädchen und ein 65-Jähriger befinden sich in kritischem Zustand. 14 Patienten mussten Gliedmaßen amputiert werden.