Moskau. . In Hongkong wollte Edward Snowden nicht länger bleiben. Nach Tagen der Überlegung landete er Sonntag in Moskau. Wollte angeblich weiterreisen nach Ecuador. Seit Montag rätselt die Weltöffentlichkeit über seinen Verbleib. Zuletzt gesichtet wurde er im Transitbereich des Moskauer Flughafens.

Edward Snowdens Zwischenaufenthalt in Moskau ist zum Agentenstück geraten. Snowden war am Sonntag nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax gegen 17 Uhr Ortszeit mit einer Aeroflot-Maschine aus Hongkong auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo gelandet. Dort verlor sich seine Spur am Montagnachmittag, offenbar mit Hilfe russischer Behörden.

Wladimir Putins Sprecher Dmitri Peskow versicherte Interfax, er wisse nichts über Kontakte Snowdens mit der russischen Führung. Gleichzeitig ignorierte Russland gestern eine Bitte des Weißen Hauses, „alle erforderlichen Optionen zu prüfen“, um Snowden in die USA abzuschieben.

Auch interessant

Edward Snowden hat ausgesprochen, was für die Geheimdienste dieser Welt offenbar vollkommen selbstverständlich ist, nämlich mit großer technischer Finesse die privaten Depeschen von Millionen Menschen systematisch zu durchleuchten.
Von Christopher Onkelbach

Man könne Snowden nicht festnehmen, weil der Transitbereich kein russisches Hoheitsgebiet sei, zitierte Interfax eine Behördenquelle. Die Flughafenbehörden schirmten den flüchtigen US-Geheimtechniker, der mit einem annullierten US-Pass reist, von den Medien ab. Laut der Zeitung Kommersant fuhr am Sonntag eigens ein Bus an die gelandete Maschine heran, um Snowden vor den wartenden Journalisten zu verbergen.

Journalisten saßen allein im Flieger nach Havanna

Nach anderen Angaben wurde er unmittelbar am Flugzeug von einem BMW mit dem Kennzeichen der Botschaft Ecuadors abgeholt. Außenminister Ricardo Patiño twitterte, Snowden habe Asyl in Ecuador beantragt.

Dann trickste Snowden – wohl nicht ohne Hilfe der Aeroflot – Dutzende Journalisten aus, die in der 14-Uhr-Maschine nach Havanna saßen, auf welche auch Snowden gebucht war. Der aber erschien nicht an Bord. eine guter Stunde später erklärte Interfax unter Berufung auf eine anonyme Quelle, Snowden habe das Land bereits mit einer anderer Maschine verlassen. Kurz darauf zitierte Ria Novosti eine andere anonyme Quelle, Snowden habe auf einen späteren Flug umgebucht und sei noch im Transitbereich des Flughafens.

Die nächste Maschine nach Havanna startet am Dienstag um 14.05 Uhr. Derweil mutmaßte die New York Times, Snowden sei ja vielleicht doch festgenommen worden, um ihn an die USA auszuliefern.

Flugroute durch den Luftraum New York

Nach Ansicht der meisten russischen Beobachter aber soll dieses Versteckspiel einen Zugriff der Amerikaner auf Snowden noch erschweren. Laut Interfax könnten die USA die Aeroflot-Maschine von Moskau nach Havanna zur Landung zwingen, weil deren Route auch durch New Yorker Luftraum führt. Der Flieger habe aber genug Treibstoff, um das US-Hoheitsgebiet zu umfliegen.

Auch interessant

US-Außenminister Kerry sagte in Washington, das Verhalten Russlands im Fall Snowden bleibe nicht ohne Folgen für das bilaterale Verhältnis. Moskau reagierte spöttisch. Die USA hätten sich ja auch keine großen Gedanken über die Folgen gemacht, als sie 2009 beim G20-Gipfel in London den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew abgehört hätten, sagte der Duma-Abgeordnete Alexei Puschkow Moskauer Journalisten unter Anspielung auf einer der Enthüllungen Snowdens.

Keine großen Anwerbeversuche

Nach Ansicht des Politologen Jewgeni Mintschenko hat sich der Kreml Snowden gegenüber noch zurückgehalten: „Es gab offenbar keine massiven Versuche unserer Geheimdienste, ihn anzuwerben“, sagte Mintschenko unserer Zeitung. Auch habe man auf ein direktes Asylangebot verzichtet, um die Beziehungen zu Washington nicht noch mehr zu belasten.

Aber je länger Snowden verschwunden bleibt, umso fragwürdiger wirkt das Verhalten Moskaus.