Essen. Im Internet locken dubiose Anbieter mit Hunde-Welpen zu Niedrigstpreisen. Die Tiere zahlen einen hohen Preis dafür: Sie werden unter schlimmen Bedingungen gezüchtet. Und die Käufer zahlen letztlich auch einen hohen Preis: Viele Tiere sind krank und sterben jung.

Ein regnerischer Morgen auf der Autobahn A 61 in der Pfalz. Auf nasser Fahrbahn schleudert ein slowakischer Kleinlaster, durchbricht die Leitplanke, kippt um. Die Retter treffen am Unfallort eine verstreute Fracht an. Sie bellt, jault und wimmert. Es sind, eingepfercht in Käfige, 120 Hundebabys. Eines überlebt den Crash nicht. 30 weitere sterben später. Sie waren schon vor dem Unglück krank.

Der Vorfall, den die Polizei auf den 1. März 2012, 4.56 Uhr datiert, hat die Spur auf Hundeschieber gelenkt, die in Osteuropa Welpenfabriken unterhalten. Die Produkte verramschen sie im Westen. Produkte? Fabriken? „Es können Schuppen, Garagen, Ställe sein“, sagt Birgitt Thiesmann, „Hunde können Sie überall züchten.“

Eine Hütte bei Warschau

Die Tierschützerin des Vereins „Vier Pfoten“ war bei einer Razzia in so einer „Vermehrungs-Station“ in der Nähe der polnischen Hauptstadt Warschau dabei. Sie erzählt: „Es ist dunkel, schmutzig, Spinnweben hängen bis auf den Boden. Die Muttertiere, die teils noch nie Licht in ihrem Leben gesehen haben, sind angekettet. Sie haben offene Geschwüre. Knochen liegen frei. Die Luft ist schneidend.“ Immer wieder habe sie im Freien Atem holen müssen, sagt Thiesmann.

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Solche Behausungen sind die erste Station des illegalen Millionen-Geschäftes. Die nächste, die Verfrachtung nach Westen in luftarmen Kofferräumen und auf engen Ladeflächen der Kleinlaster, ist nicht weniger qualvoll. Zoll und Polizei vor allem im Bayerischen können davon erzählen. 18. März 2013, A 6 bei Pleystein. Polizeibeamte befreien 30 Hundewelpen in zwölf Boxen. 28. März, A 9, Nürnberg. In einem Auto finden Zollfahnder Mopswelpen. Ihre Lymphknoten sind stark geschwollen.

Rechtlich können die deutschen Behörden oft wenig machen. Der Zoll ist, mitten im EU-Binnenmarkt, schon gar nicht zuständig. Ertappten Schmugglern droht also vielleicht eine Beschlagnahme oder eine Geldbuße. Die Beamten übergeben die Tiere den örtlichen Veterinären. „Aber unseren Leuten geht so ein Auffund natürlich nahe“, sagt Jürgen Wamser von der Bundesfinanzdirektion.

Verwoben mit der Organisierten Kriminalität

Dabei ist die Branche durchaus mit der Organisierten Kriminalität Osteuropas verwoben. Der Mann, der die Zuchthütte bei Warschau unterhielt, war schon wegen Drogenhandels vorbestraft. Andere sind auf den Feldern von Prostitution und Erpressung unterwegs. Hundemachen ist für sie nur ein neues Geschäftsfeld.

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Es ist ein Massengeschäft. 30.000 Tiere sollen Jahr für Jahr in Tschechien in den Gebärbetrieben zur Welt kommen. 100.000 in ganz Osteuropa. Ein reinrassiger Hund aus dieser Herkunft kostet 150 oder 200 Euro. Faire Händler in Deutschland nehmen dagegen 1000 Euro und mehr für ein Tier. „Bei einem regulär gezüchteten Welpen summieren sich alleine die Tierarztkosten sowie die Kosten für Ernährung und Entwurmung auf etwa 300 Euro“, errechnet Udo Kopernik vom Verband für das Deutsche Hundewesen (DHV).

Die Welpen sind oft todkrank

Gut ernährt, entwurmt, gegen Tollwut, Staupe und Parvovirose geimpft sind die importierten Welpen nicht. Anders: Sie sind oft todkrank. Zudem: „Bei Tollwut besteht die Gefahr, dass die Krankheit ins tollwutfreie Deutschland eingeschleppt wird“, warnt Brigitt Thiesmann. Tollwut ist auch für Menschen tödlich. Eine angeschlagene Psyche destabilisiert die Welpengesundheit zusätzlich. Nach drei Wochen den Müttern entzogen, fehlt ihnen jedes Gespür für soziale Kontakte.

Der Preisunterschied lockt die Kunden. In einschlägigen Internetportalen mit tausenden Angeboten („Bezaubernde Pinschermädchen suchen ein verantwortungsvolles Zuhause“) werden sie geködert. Rassehunde sind Statussymbol. Chihuahuas und französische Bulldoggen sind gerade sehr beliebt. Erst, wenn das süße Knäuel nach der Übergabe an einem ominösen, vom Verkäufer bestimmten Ort in wenigen Tagen zum Häufchen Elend wird, erbricht, abmagert und stirbt, ist klar: Nicht nur Tierquälerei war im Spiel. Auch Betrug.

Ermittlungen in Köln

Tiere sind nach dem Gesetz eine Ware. Deshalb können des Betrugs Verdächtige strafrechtlich verfolgt werden. In Bergheim passiert das gerade. „Wir ermitteln in einem Fall, in dem einer größeren Zahl von Geschädigten Welpen veräußert wurden, die verendet sind“, bestätigt der Kölner Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Fast 30 Käufer haben schon Strafanzeige erstattet.