Luxemburg. Die EU-Kommission macht einen Rückzieher vor dem Volk: Nachdem über 1,5 Millionen Menschen sich an einer europäischen Bürgerinitiative für den freien Zugang zu Wasser beteiligt haben, klammert der zuständige EU-Kommissar die Wasserversorgung aus der entsprechenden EU-Richtlinie aus.

Großer Erfolg für die erste europäische Bürgerinitiative "Wasser ist Menschenrecht": EU-Kommissar Michel Barnier macht einen Rückzieher und will die Wasserversorgung von der umstrittenen EU-Konzessionsrichtlinie ausnehmen, wie er am Freitag in Luxemburg sagte. In Deutschland, wo am meisten Unterschriften gegen die Richtlinie gesammelt worden waren, zeigte sich Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) erfreut: Wasser sei keine Ware wie jede andere, erklärte sie.

Barnier versichterte nochmals, es habe nie das Risiko bestanden, dass die Kommission eine Privatisierung von Wasser erzwingen wolle. Die Bürger aber hätten diesen Eindruck gewonnen und "ihre Sichtweise sehr klar zum Ausdruck gebracht", erklärte der Wettbewerbskommissar. "Ich habe volles Verständnis dafür, wenn Bürger aufgebracht und besorgt sind, wenn ihnen erzählt wird, dass ihre Wasserversorgung gegen ihren Willen privatisiert werden könnte." Trotz zahlreicher Änderungen sei er zu der Auffassung gekommen, dass der derzeitige Text zur Wasserversorgung niemanden zufriedenstellt".

Angst, Kontrolle über den Wasserpreis zu verlieren

Auslöser der Debatte war das Vorhaben Barniers, in der gesamten EU einheitliche Regeln zur Vergabe von Konzessionen für Dienstleistungen wie die Wasserversorgung zu schaffen. Ziel sind der Kommission zufolge Wettbewerb und Chancengleichheit zwischen Unternehmen, aber in Zeiten leerer öffentlicher Kassen auch eine bessere Kontrolle über die Verwendung von Steuergeldern. In Deutschland hatten die Pläne Befürchtungen ausgelöst, die EU-Pläne könnten dazu führen, dass Kommunen die Versorgung ihrer Bürger mit Trinkwasser an private Unternehmen abgeben müssen und somit die Kontrolle über Preis und Qualität verlieren. Auch viele Bürgermeister protestierten.

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I n ganz Europa unterzeichneten im Rahmen der Europäischen Bürgerinitiative für ein Menschenrecht auf Wasser (Right2Water) fast 1,5 Millionen Menschen einen Aufruf für einen freien Zugang zu Wasser und zur sanitären Grundversorgung. Daher protestierte die Initiative auch gegen die EU-Gesetzespläne zur Liberalisierung der Wasserwirtschaft. Da mehr als eine Million Menschen in sieben EU-Ländern ihre Unterschrift leisteten, konnte die Initiative die EU-Kommission nun zum Handeln auffordern.

Verdi feiert den Erfolg der Bürgerinitiative

Ein Sprecher der Gewerkschaft Verdi, welche die Initiative federführend in Deutschland organisiert, erklärte; "Der Sinneswandel der Kommission ist ein großer Erfolg für die erste europäische Bürgerinitiative." Dieser Erfolg zeige, dass die Bürger mit diesem neuen politischen Instrument Diskussionen auf EU-Ebene beeinflussen könnten.

Verbraucherministerin Aigner erklärte in Berlin, bei der Wasserversorgung gehe es um den Kern kommunaler Daseinsvorsorge. "Das soll vor Ort entschieden werden, nicht in Brüssel." Es sei gut, dass die Kommission eingelenkt habe. Auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zeigte sich erfreut, dass die lange Diskussion und die viele Kritik zu einem Umdenken geführt hätten. Dies sei ein Erfolg "für die nachhaltige Kritik vieler Bürger in Bayern und ganz Deutschland".

Die Verhandlungen über die Konzessionsrichtlinie werden am Dienstag fortgesetzt. Verdi-Sprecher Christoph Schmitz sagte, "jetzt hoffen wir, dass sich der Europäische Rat und das Parlament der Entscheidung der Kommission anschließen werden". (afp)