An Möhne, Bigge, Sorpe und Ruhr. . Der Ruhrverband ist so etwas wie die älteste ökologische Genossenschaft in Nordrhein-Westfalen – jetzt feiert sie mit dem 100-Jährigen einen runden Geburtstag.

Am Anfang stand die Katastrophe: Eine Typhusepidemie war 1911 in Mülheim an der Ruhr ausgebrochen. Besser gesagt: In Mülheim an der ehemaligen Ruhr. Denn 1911 hatte wochenlange Dürre den Fluss zu einer öligen, schlammigen Brühe verkommen lassen, die fast nur noch aus den Abwässern von Industrie und Haushalten bestand. Gewässerkundler August Thienemann aus Münster reiste damals an die Ruhr und konstatierte. „Die Ruhr stelle eine braunschwarze Brühe dar, die stark nach Blausäure riecht, keine Spur von Sauerstoff enthält und absolut tot ist.“ 1500 Menschen erkrankten damals an Typhus. Schon sechs Jahre vorher war die Ruhr zwischen Witten und Essen als Trinkwasserfluss nicht mehr nutzbar.

So, das war klar, konnte es nicht weitergehen. Die bis heute gültige Antwort auf die Frage, wie der Fluss unter dem blauen Himmel ebenfalls wieder eine gesunde Farbe gewinnen könnte, lautet: Mit Hilfe des Ruhrverbandes, gewissermaßen eine der ältesten ökologischen Genossenschaften im Land.

Auch interessant

Vor hundert Jahren erblickte sie das Licht der Welt – auf Grundlage des „Ruhrreinhaltungsgesetzes“ und des „Ruhrtalsperrengesetzes.“ Denn bereits im Jahrzehnt zuvor hatten Bau und Planung vieler Talsperren begonnen, die vor allem erstmal die Industrie im Revier auch im dürren Spätsommer mit Wasser versorgen sollten. Da bereits eifrig gebaut worden war, konnte der Ruhrverband wenige Wochen nach der Gründung die Einweihung der Möhnetalsperre feiern.

Acht Talsperren und fünf Stauseen

Wenn es in diesen Tagen der Deichbrüche und Überflutungen die Ruhr nicht mal im Ansatz in die Nachrichten schafft, liegt das nicht nur am meteorologischen Zufall, sondern auch am System von acht Talsperren und fünf Stauseen den Pegel des Flusses zu regulieren helfen – Seen, die ursprünglich auch angelegt wurden, damit Schadstoffe sich am Boden ablagern konnten, weil das Wasser gestaut war.

Denn das Wasser aus der Ruhr ist Trinkwasser für ein Viertel der Bevölkerung in NRW: 4,6 Millionen Menschen hängen am Hahn des einstigen Industrieflusses, der jetzt zwischen Winterberg und Duisburg-Ruhrort vor allem ein Freizeitfluss ist: Vom reich beradelten Ruhrtalradweg über die Schifffahrten zwischen Ruhrort und Essen-Kupferdreh, von den Talsperren an Möhne, Sorpe, Henne, Bigge und Ennepe: Die Ruhr und ihre Nebengewässer, zusammen rund 7000 Kilometer Bäche und Flüsse sind zu einer Erholungslandschaft geworden.

Alle 500 Jahre ein Klimaextrem

Und dass das Wasser im Ruhrtal zu Paddeltour und – leider immer noch verboten – zum Bade lockt ist auch den 69 Kläranlagen zwischen Olpe und Oberhausen, Brilon und Bochum zu verdanken – so wurde 1925 in Essen die erste biologische Kläranlage Deutschlands in Betrieb genommen. Doch noch in den 60er Jahren kämpften Kläranlagen und Sauerstoffkreisel gegen Schaumberge aus Waschmittelrückständen und Sauerstoffmangel in den Stauseen.

Auch interessant

Bild_7964381--198x148.jpg
Von Daniel Freudenreich und Tobias Blasius

Ob Talsperren gebaut und Kläranlagen errichtet werden, entscheidet bis heute das Ruhrparlament, in dem 150 Delegierte die 60 Kommunen und Kreise des Einzugsbereichs der Ruhr vertreten. Knapp 1000 Mitarbeiter sorgen in Talsperren, Wasserkraftwerken und Verwaltung dafür, dass der Ruhr das Wasser nicht mehr ausgeht. Die Statistiker haben allerdings errechnet, dass alle 500 Jahre ein Klimaextrem eintreten wird, das Ruhr trocken legen kann. Hält der Klimawandel an, so die Experten, wird die Ruhr samt ihrer Talsperren sogar einmal in 200 Jahren nicht mehr genügend Trinkwasser liefern. Der Ruhrverband wäre aber nicht der Ruhrverband, wenn dort nicht bereits das Nachdenken eingesetzt hätte, wie man die Wasserversorgung auch in künftigen Klimaextremen sicher machen kann. Ist eben auch eine Aufgabe, einen Fluss wasserfest zu machen.