Paris. Bei ihrem Treffen in Paris machen sich die Kanzlerin und Frankreichs Präsident für einen hauptamtlichen Präsidenten der Eurozone stark. Eigentlich soll eine einheitliche Wirtschaftsregierung das Ziel sein. Das allerdings passt so überhaupt nicht zu Hollandes Attacke gegen jegliche Einmischung aus Brüssel - während sein Land immer tiefer in die Krise trudelt.

Deutschland und Frankreich sind sich darüber einig, dass die Eurozone künftig von einem hauptamtlichen Präsidenten geführt werden soll. Das sagte Frankreichs Präsident François Hollande am Donnerstag nach Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Paris. Der derzeitige Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem ist außerdem noch Finanzminister in den Niederlanden.

Man habe einen "qualitativen neuen Vorschlag" gemacht, sagte Merkel. "Wir stellen fest, der Stabilitäts- und Wachstumspakt wird immer erst dann wirksam, wenn wir bereits im Ungleichgewicht sind, wenn wir uns Defizitverfahren nähern", sagte sie. Deshalb brauche es mehr wirtschaftspolitische Koordinierung. Dazu solle es auch häufiger Treffen der Staats- und Regierungschefs geben.

Um die politische Zusammenarbeit in der Eurozone zu vertiefen, will Hollande das Projekt einer sogenannten Wirtschaftsregierung voranbringen. Der hauptamtliche Präsident der Eurozone könnte ein Schritt in diese Richtung sein - allerdings ein kleiner.

Rekordarbeitslosigkeit in Frankreich

Der nächste EU-Gipfel ist für Ende Juni geplant. Ein Schwerpunktthema wird die Beschäftigungssituation in der Eurozone sein. Im Zuge der Krise haben die Arbeitslosenzahlen in einigen EU-Mitgliedstaaten Rekordstände erreicht. Sorgen bereitet dabei vor allem die Situation in Frankreich. Die Arbeitslosenzahl im Nachbarland ist auf ein Rekordhoch gestiegen. Ende April waren in der nach Deutschland zweitgrößten Euro-Volkswirtschaft 3,264 Millionen Menschen ohne Job. Das entsprach 39 800 Arbeitslosen mehr als im Vormonat, als der bisherige Negativ-Rekord verzeichnet wurde. Im Vergleich zum April vergangenen Jahres sei die Zahl um 12,5 Prozent gestiegen, teilte das Arbeitsministerium am Donnerstagabend mit. Eine Ende des seit Mai 2011 anhaltenden Anstiegs wird frühestens Ende dieses Jahres erwartet.

Die Krise auf dem Arbeitsmarkt ist eine der stärksten Belastungen für die sozialistische Regierung unter Präsident François Hollande. Sie verlor in Umfragen zuletzt dramatisch an Zustimmung und steht unter Druck, den Arbeitsmarkt möglichst schnell tiefgreifend zu reformieren. Die Arbeitslosenquote in Frankreich liegt doppelt so hoch wie in Deutschland. Hollande allerdings verharrt in seltsamer Tatenlosigkeit und verweigert sich jeglicher Einmischung von außen.

Auf Kritik aus Brüssel reagiert Monsieur pikiert

So wurde das Treffen mit Merkel überschattet von Konflikten um Hollande-Äußerungen, die er mehrfach bekräftigte. Dabei hatte sich der Sozialist Reformvorgaben aus Brüssel in scharfer Form verbeten. "Die EU-Kommission hat uns nicht zu diktieren, was wir zu machen haben", sagte er. Sie habe Frankreich lediglich zu sagen, dass die öffentlichen Finanzen in Ordnung gebracht werden müssten. Welcher Weg dahin der richtige sei, sage man selbst.

Die EU-Kommission hatte Frankreich zuvor aufgefordert, seine Wirtschaft und sein Rentensystem zu reformieren. "Frankreich hat in den vergangenen zehn, vielleicht sogar auch 20 Jahren an Wettbewerbsfähigkeit verloren", sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel. Als Gegenleistung für zwei zusätzliche Jahre beim Sparen müssten die Arbeitskosten in Frankreich sinken und die Energie- oder Dienstleistungsmärkte für mehr Wettbewerb geöffnet werden.

Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff kritisierte die Haltung Hollandes. Sie widerspreche "Geist und Buchstaben europäischer Vereinbarungen und Verträge", sagte Schockenhoff in Berlin. "Wer so redet, rüttelt an Grundfesten der EU." Der Grünen-Europaparlamentarier Sven Giegold bezeichnete Hollandes Aussage vom "Diktat aus Brüssel" als "Armutszeugnis" für die französische Europapolitik. (dpa)