Brüssel. Am Donnerstag veröffentlicht die Brüsseler Kommission ihr Gutachten zur Wirtschaftsentwicklung. Die Rahmenbedingungen sind schlecht: Die Zeichen stehen für dieses Jahr auf Stagnation, die Aussichten für 2014 sind nur geringfügig besser, und auch der Lokomotive Deutschland geht langsam der Dampf aus.

Gern würden die Euro-Staaten das Ende der wirtschaftlichen Durststrecke ausrufen. Doch die Situation, die ist nicht so: Die Konjunktur lahmt, die soziale Auseinandersetzung verschärft sich, die Arbeitslosigkeit nimmt dramatische Ausmaße an. Frankreich und Deutschland sehen sich wechselseitig als Problemfall. Unterdessen haben Euro-Skeptiker überall Zulauf. Die institutionelle Modernisierung - Stichwort Bankenunion - kommt nur mühsam voran. Ein Krisenpanorama in fünf Kapiteln.

Wachstum

In Europa bricht die Zeugnis-Saison an: Am Donnerstag veröffentlicht die Brüsseler Kommission ihr Gutachten zur Wirtschaftsentwicklung, anschließend geht es in die Einzel-Beurteilung der Mitgliedstaaten. Die müssen sich der Überprüfung stellen, wie weit sie bei der Sanierung der Haushalte und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit gekommen sind.

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Die Rahmenbedingungen sind schlecht: Die Zeichen stehen für dieses Jahr auf Stagnation, die Aussichten für 2014 sind nur geringfügig besser, und auch der Lokomotive Deutschland geht langsam der Dampf aus.

Arbeit

In Spanien hat die Arbeitslosigkeit die ominöse Sechs-Millionen-Marke übersprungen und ist auf einen neuen Rekordwert geklettert (27,16 Prozent). Sie liegt nur noch knapp unter der Griechenlands (27,2), dem weltweit am schlimmsten betroffenen Industrieland. Bei Spaniern unter 25 beträgt die Arbeitslosigkeit unfassbare 57,2 Prozent. Auf der Suche nach Arbeit sind in den letzten fünf Jahren 400.000 junge Spanier ausgewandert.

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Auch Frankreich steckt tiefer denn je in der Jobkrise, die sich nunmehr seit fast zwei Jahren Monat für Monat verschärft. Im März waren mehr als 3,2 Millionen Franzosen ohne Arbeit. In der EU sind mehr als 45 Millionen Menschen arbeitslos oder unfreiwillig unterbeschäftigt – fast ein Fünftel der erwerbstätigen Bevölkerung. Deutschland steht mit offiziell 5,4 Prozent Arbeitslosigkeit vergleichsweise gut da. Der Riesenabstand zu den Problemländern am Rand der Eurozone sorgt aber für zusätzliche politische Spannungen.

Krisenländer

Große Erleichterung - Italien hat endlich wieder eine reguläre Regierung! Der Sozialdemokrat Letta führt eine große Koalition mit Berlusconis Partei Volk der Freiheit. Fragt sich allerdings, ob der neue Premier tatsächlich eine Alternative zum Sparkurs seines Vorgängers Monti hinbekommt. Auf sechs Milliarden angekündigter Steuern will er verzichten, die EU-Verpflichtungen trotzdem einhalten. Wie das gehen soll, ist erstmal offen.

Unterdessen klettern die Staatsschulden in den „Programmländern“ Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern weiter. Slowenien ist der nächste Kandidat für wirtschaftliche Notbeatmung. Am meisten Sorgen macht Frankreich, das zurückfällt und sich mit Deutschland offen über den Weg aus der Krise zankt. Irland wird als Musterbeispiel für den Erfolg einer Rosskur gepriesen. Doch die Stimmung ist aufgeheizt: Verzweifelte Hausbesitzer, die ihre Hypothekenzinsen nicht bezahlen können, blasen zum Widerstand.

Euro-Skepsis

Europa – immer mehr ein Fall für den „Gefällt-mir-nicht“-Button. Zu den traditionellen Verächtern aus Großbritannien und Skandinavien, die in Brüssel die Totengräber nationaler Identität am Werk sehen, gesellen sich in jüngerer Vergangenheit Europa-Muffel aus wirtschaftlichen Gründen.

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Dazu zählt jetzt auch die Alternative für Deutschland, die den Austritt aus dem Euro propagiert. Für Populisten wie die Wahren Finnen, die 5 Sterne des Italieners Grillo oder die linksoppositionelle Syriza in Griechenland ist der Widerstand gegen das Euro-Krisenmanagement die beste Wahlkampfmunition. Nach einer Berechnung des Politologen Michael Kaeding von der Uni Duisburg-Essen ist schon jetzt jeder fünfte Europa-Abgeordnete ein EU-Muffel. Bei den EU-Wahlen 2014 könnte die Gruppe wachsen.

Integration

Von der Krise getrieben haben EU und Eurozone beachtliche Schritte in Richtung auf strengere Schuldenregeln, engere Abstimmung in der Haushalts- und Wirtschaftspolitik und Regulierung des Finanzsektors unternommen. Doch bei Schlüsselprojekten leistet man sich immer wieder Verzögerung und Streit. Das gilt vor allem für den Aufbau einer Bankenunion. Die ist im Prinzip von Kanzlerin Merkel und ihren EU-Kollegen vereinbart, in der praktischen Umsetzung aber noch nicht weit gediehen. Berlin ist einverstanden mit einer gemeinsamen Aufsicht durch die EZB, bremst aber bei den Folgeschritten (zentrale Abwicklungsstelle, Abwicklungsfonds). EU-Kommission, EZB und Frankreich reagieren genervt. „Wir wollen die volle Bankenunion – und zwar schnell“, verlangt der Pariser Finanzminister Moscovici. Ob die Brüsseler Kommission ihren Vorschlag für die Abwicklungsstelle wie geplant im Juni auf den Tisch legen kann, ist angesichts der Meinungsverschiedenheiten offen.