Istanbul/Brüssel. Das EU-Waffenembargo gegen Syrien läuft aus. Künftig darf wieder jedes EU-Land selbst entscheiden, ob es Waffen an die Aufständischen liefert. Russland hält das für “illegitim“ und will dem Regime in Damaskus Luftabwehr-Raketen liefern - das wiederum will Israel nicht hinnehmen. Es droht eine weitere Eskalation.
Die Aufhebung des EU-Waffenembargos für die syrischen Rebellen ist von den USA begrüßt worden. Dies erklärte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Jay Carney, am Dienstag. Auch die syrische Opposition zeigte sich erfreut über das Aus. Russland, einer der wichtigen Waffenlieferanten des Regimes von Präsident Baschar al-Assad, reagierte dagegen mit scharfer Kritik.
Carney kritisierte zugleich russische Pläne, Luftabwehrraketen an Damaskus zu liefern. Die USA wägten weiterhin ihre Haltung gegenüber der syrischen Opposition ab und verlangten einen politischen Machtwechsel. Die US-Regierung lehnte bisher Waffenlieferungen an die Opposition mit der Begründung ab, Waffen könnten in die Hände von islamistischen Extremisten gelangen.
Russland nennt Entscheidung der EU "illegitim"
Der russische Außenminister Sergej Lawrow nannte die Entscheidung der EU-Außenminister "illegitim". Der Verkauf von Waffen an nicht-staatliche Abnehmer sei international verboten, sagte Lawrow nach Angaben der Agentur Interfax. Das Ende des Waffenembargos sei ein "Fehler", sagte auch sein Vize Sergej Rjabkow in Moskau. Zugleich verteidigte er die Lieferung von hochmodernen Luftabwehrsystemen vom Typ S-300 an Syrien. Diese dienten dazu, äußere Kräfte abzuschrecken.
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Nach Meinung der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana haben sich die "traditionellen Kolonialmächte" durchgesetzt. Großbritannien und Frankreich hätten die Europäische Union gespalten in Unterstützer einer politischen Lösung und Befürworter des Kriegs.
Israel droht mit neuen Luftangriffen
Israel will der geplanten Lieferung russischer Flugabwehrraketen an Syrien nicht tatenlos zusehen. "Wir wissen, was zu tun ist, sollten die Raketen in Syrien eintreffen", zitierten israelische Medien Verteidigungsminister Mosche Jaalon. Die israelische Luftwaffe hat Medienberichten zufolge seit Jahresbeginn dreimal Ziele in Syrien bombardiert. Die Angriffe hätten Waffenlieferungen an die südlibanesische Schiitenmiliz Hisbollah gegolten. Die S-300-Raketen würden solche Angriffe wesentlich riskanter für Israel machen.
Auch in der EU gab es Bedauern und Kritik, dass die Außenminister in der Nacht zum Dienstag keine einheitliche Position zu Waffen für die syrischen Aufständischen gefunden hatten. Der Beschluss der EU-Außenminister bedeutet für London und Paris, dass sie nun Waffen liefern können - allerdings nur im Rahmen von Richtlinien der EU. Demnach sind Lieferungen an Abnehmer, die diese Waffen zur Unterdrückung von Menschen verwenden wollen, nicht erlaubt.
Deutschland will keine Waffen liefern
Großbritannien will zunächst keine Waffen an die Rebellen liefern. Das Augenmerk der britischen Regierung werde weiter darauf liegen, die Friedensgespräche für Syrien in Genf zu einem Erfolg zu machen und eine politische Lösung herbeizuführen, sagte Außenminister William Hague. Sofortige Waffenlieferungen gebe es nicht.
Deutschland wird nach den Worten von Außenminister Guido Westerwelle keine Waffen an die Opposition liefern. Der FDP-Politiker verteidigte die Syrien-Beschlüsse gegen Kritik. Europa habe nach langen Verhandlungen "immerhin einen politischen Kompromiss zu den Syrien-Sanktionen gefunden", sagte er.
Die fehlende Einstimmigkeit für ein Waffenembargo hätte auch bedeutet, dass alle anderen Sanktionen der EU gegen das Assad-Regime - beispielsweise Einreiseverbote, Finanzbeschränkungen und ein Verbot für den Kauf von Öl - auslaufen würden. Die Außenminister verabredeten jedoch, dass diese Sanktionen noch einmal gesondert beschlossen werden und damit in Kraft bleiben.
Der Aufstand gegen Assad hat seit dem Beginn im März 2011 mehr als 80 000 Menschen das Leben gekostet. (dpa)