Istanbul/Berlin. Die libanesische Hisbollah bekennt sich in Syrien zum bedrängten Machthaber Al-Assad. Das sorgt im Libanon für Zündstoff, denn in dem Land gibt es auch Sunniten, die die syrische Opposition unterstützen. In Beirut schlugen am Sonntag in von der Hisbollah kontrollierten Gebieten Raketen ein.
Die libanesische Hisbollah kämpft im syrischen Bürgerkrieg jetzt mit offenem Visier an der Seite des Assad-Regimes und setzt damit die Stabilität des eigenen Heimatlandes aufs Spiel. Der Generalsekretär der Schiitenbewegung, Hassan Nasrallah, prophezeite während einer Fernsehansprache einen Sieg in Syrien. Er versprach, dass die Milizen solange wie notwendig blieben. Nur wenige Stunden nach der Rede schlugen am Sonntag Raketen in zwei von der Hisbollah kontrollierten Vororten Beiruts ein. Fünf Menschen wurden verletzt.
Während die Schiitenorganisation jetzt erstmals ganz offiziell mit Kämpfern Partei für Syriens Machthaber Baschar al-Assad ergreift, gibt es im Libanon aber auch Muslime sunnitischer Glaubensrichtung, die schwer bewaffnet sind und die syrische Opposition unterstützen. Damit droht dem Libanon immer mehr eine Zerreißprobe. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte vor der "Gefahr eines Flächenbrandes". Das kleine arabische Land versank bereits von 1975 bis 1990 in einem Bürgerkrieg.
Rauchschwaden überziehen Gebiet
Bei den Raketenangriffen im Süden der libanesischen Hauptstadt wurden am Sonntag mindestens fünf Menschen verletzt. Zwei Raketen vom Typ "Grad" hätten eine Automobilausstellung und ein Wohngebäude getroffen, berichteten Sicherheitskräfte. Zunächst bekannte sich niemand zu den Angriffen. Libanons Innenminister Marwan Charbel sah in dem Angriff einen Versuch, die Sicherheitslage in seinem Land zu destabilisieren.
Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah hatte am Vorabend seine Kämpfer auf einen "Sieg" in Syrien eingeschworen. Ein Sturz des Regimes von Baschar al-Assad komme nicht infrage. Syrien sei das Rückgrat des Widerstandes, und der Widerstand (die Hisbollah) werde nicht mit verschränkten Armen zuschauen, wie Syrien von den USA, Israel und Extremisten das Rückgrat gebrochen werde.
Mit Hilfe von Hisbollah-Milizionären haben syrische Regierungstruppen in der strategisch wichtigen Kleinstadt Al-Kusair am Wochenende eine neue Offensive gestartet. "Rauchschwaden überziehen das Gebiet, und es fallen mindestens 50 Geschosse pro Minute auf die Stadt", beschrieb der Aktivist Abu Raad die Lage. Rund 2000 Hisbollah-Kämpfer seien inzwischen an den Gefechten beteiligt.
Westerwelle nennt Lage "bedrohlich"
Al-Kusair liegt an der Grenze zum Libanon und in der Nähe einer wichtigen Straße, die Damaskus mit den vom Regime kontrollierten Küstengebieten verbindet. Auch für die Rebellen ist der Ort strategisch wichtig, weil hier Nachschublinien aus dem Libanon entlanglaufen. Die Hisbollah wiederum will nach den Worten von Nasrallah verhindern, dass radikale Islamisten oder Extremisten das Gebiet entlang der Grenze zum Libanon kontrollieren.
Außenminister Guido Westerwelle nannte die Hinweise auf ein "massives Eingreifen" von Hisbollah-Milizen in die Kämpfe in Syrien "sehr bedrohlich". "Die Gefahr eines Flächenbrandes ist durch diese jüngsten Entwicklungen mit Händen zu greifen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz sagte der Zeitung: "Es gibt die große Gefahr, dass Syrien nicht implodiert, sondern explodiert." Dann würden der Libanon, die Türkei und Jordanien in den Konflikt gezogen.
Schon 80 000 Tote im Syrienkonflikt
Die syrische Opposition kam am Wochenende in Istanbul bei ihren Beratungen über eine Teilnahme an der von Russland und den USA initiierten Friedenskonferenz zunächst zu keinem Ergebnis. Nach Angaben von Delegierten wurde beschlossen, 30 weitere Persönlichkeiten und Parteivertreter in den Kreis der Nationalen Syrischen Koalition aufzunehmen. Westliche Staaten hatten eine Erweiterung angeregt, um den Einfluss der Muslimbruderschaft zu begrenzen. Nach Angaben von syrischen Oppositionellen in Damaskus könnte die geplante Friedenskonferenz für den 12. Juni in Genf einberufen werden.
Der Syrienkonflikt hat seit seinem Beginn im März 2011 UN-Schätzungen zufolge mehr als 80 000 Menschen das Leben gekostet. Im Nordlibanon wurden bei den jüngsten Kämpfen zwischen Unterstützern des syrischen Regimes und dessen Gegnern binnen einer Woche mindestens 26 Menschen getötet. (dpa)