Düsseldorf. . Viele Städte und Landkreise in NRW haben sich im letzten Jahr weiter mit den gefährlichen Kassenkrediten verschuldet. Diese Schulden stiegen landesweit im Jahr 2012 um 7,1 Prozent. Die höchste Pro-Kopf-Belastung durch diese Kredite hat Oberhausen. Kritisch ist die Lage auch in Hagen und Remscheid.

Die Schulden der Kommunen in NRW sind im vergangenen Jahr auf mehr als 46 Milliarden Euro gestiegen. Der Grund dafür ist ein kräftiges Plus von 7,1 Prozent bei den kurzfristigen Kassenkrediten. Sie betrugen Ende vergangenen Jahres 23,7 Milliarden Euro, wie das Statistische Landesamt mitteilte. Die langfristigen Kredite für Investitionen blieben mit rund 22,7 Milliarden Euro dagegen weitgehend unverändert.

Mit Kassenkrediten bleiben Kommunen kurzfristig zahlungsfähig - vergleichbar dem Dispokredit der Privathaushalte. Wichtig: Anders als beim privaten „Dispo“ ist die Zinsbelastung durch die Kassenkredite eher klein. Fachkreise sprechen hier von „Schulden zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs an liquiden Mitteln“. Einfacher gesagt sind Kassenkredite Schulden, die aufgenommen werden, um andere Schulden bezahlen zu können. Sie belasten die Haushalte erheblich.

Laut Statistischem Landesamt stiegen die Schulden durch Kasenkredite im vergangenen Jahr in NRW um 7,1 Prozent. Das bedeutet eine Belastung von im Schnitt 1329 Euro pro Bürger allein durch Kassenkredite. 2011 waren es 1241 Euro je Einwohner.

Oberhausen führt die Negativ-Rangliste an

Die Belastung durch diese kurzfristigen Kredite (Laufzeit bis zu einem Jahr) ist in den einzelnen Kommunen unterschiedlich: Von den kreisfreien Städten wies Oberhausen mit 6895 Euro je Einwohner das höchste Kreditvolumen pro Kopf auf. Es folgten Hagen (5779 Euro je Einwohner) und Remscheid (5210 Euro je Einwohner). Auf einen ähnlich hohen Stand wie bei den Kassenkrediten summierten sich Ende 2012 mit 22,7 Milliarden Euro (1 272 Euro je Einwohner) auch die langfristigen Kredite (sog. Investitionskredite); sie lagen damit nahezu auf dem gleichen Stand wie ein Jahr zuvor.

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In den Jahren 2011 und 2012 hatten zwei Kreisverwaltungen (Rhein-Erft-Kreis, Rheinisch-Bergischer-Kreis) keine Verbindlichkeiten. Die Zahl der schuldenfreien kreisangehörigen Gemeinden erhöhte sich um drei auf 16: Breckerfeld, Drensteinfurt, Issum, Langenfeld, Merzenich, Niederzier, Olfen, Raesfeld, Reken, Schmallenberg, Sonsbeck, Straelen und Verl waren zuvor schon finanziell auf der Sonnenseite. Neu hinzugekommen sind Borken, Senden und Velen.

Zuwächse bei den Kassenkrediten hatten u.a. Essen (+7,8 Prozent), Mülheim/Ruhe (+13,7 Prozent), Bonn (+26,7 Prozent), der Kreis Recklinghausen (+9,8 Prozent) und Unna (+13,3 Prozent). Das sagt aber noch nichts über die Pro-Kopf-Belastung aus. Während Hagen, wie gesagt, auf 5779 Euro je Einwohner kommt, war der Anstieg in dieser Stadt nur bei 2,2 Prozent. Unna trotz einer zweistelligen Zunahme bei den Kassenkrediten nur eine Pro-Kopf-Belastung von 956 Euro. Wohlbemerkt: hier geht es nur um Kassenkredite. Zählt man die Verschuldung durch Kassenkredite und so gennannte Investitionskredite zusammen, dann sind zum Beispiel die Hagener pro Kopf mit rund 6480 Euro belastet.

Essens Kämmerer Klieve schlägt Alarm

Essens Stadtkämmerer Lars Martin Klieve nennt die Lage „alarmierend“. „Wenn man auf einen Haufen Schulden noch mehr Schulden packt, dann nimmt die Situation langsam bedrohliche Ausmaße an“, sagte Klieve dieser Zeitung. Besonders schlimm: Zahlreiche Städte müssen Kassenkredite aufnehmen, obwohl die Zinsen insgesamt im Keller sind. Durch Zinsschwankungen könnten bestehende Haushalts-Löcher in Zukunft noch größer werden, warnt Klieve.

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Der Kämmerer erinnert daran, dass die Schuldenlast der Städte in Deutschland, aber auch in NRW extrem unterschiedlich ist. „Es gibt Städte, die haben so viel Geld, dass sie die Zebrastreifen marmorieren könnten. Andere sind praktisch pleite.“ Der Essener plädiert für einen „gerechteren“ kommunalen Lastenausgleich. Städte mit besonders hohen Soziallasten – also zum Beispiel viele Städte im Ruhrgebiet – sollten stärker entlastet werden.

Der kommunalpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Kai Abruszat, sieht nun Innenminister Ralf Jäger (SPD) in der Pflicht: „Er muss jetzt zupacken statt zu zaudern. Die Kassenkredite der Kommunen sind trotz guter Steuereinnahmen auf Rekordniveau. Dieser Zustand ist alarmierend und brandgefährlich. Zahlreiche Städte und Gemeinden können ihr laufendes Geschäft nur noch über Kassenkredite sicherstellen. Eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs duldet keinen Aufschub.“