Berlin. . Sein Wahlkampf bestand bisher vor allem aus Pleiten, Pech und Pannen. Auf dem Sonderparteitag am Sonntag will SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück endlich in die Offensive gehen. Doch der Unmut in der Partei wächst.

Am Sonntag soll es endlich losgehen für Peer Steinbrück. Wenn ein Sonderparteitag in Augsburg das SPD-Regierungsprogramm beschließt, will der Kanzlerkandidat die Wahlkampf-Mobilisierungsphase starten und doch noch in die Offensive kommen: Die SPD gehe zum „Angriffsmodus“ über, sagt Generalsekretärin Andrea Nahles. Doch kurz vor dem Konvent klingt das eher wie Pfeifen wie im Walde.

Die SPD steckt im Tief fest, in einer neuen Forsa-Umfrage ist sie wieder auf ihren historischen Tiefstand von 23 Prozent abgesackt. Bei einer Direktwahl würden jetzt nur 19 Prozent Steinbrück wählen, aber 57 Prozent Kanzlerin Merkel. Zudem reiht sich bei den Sozialdemokraten ein Missgeschick ans andere: Diese Woche stellte sich heraus, dass der von Steinbrück soeben vorgestellte Wahlkampfslogan „Das Wir entscheidet“ schon von einem Unternehmen verwendet wird, das – ausgerechnet – mit Leiharbeit sein Geld verdient. Die SPD-Kampagnenplaner hatten es einfach übersehen.

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Die Nachlässigkeit ist keine Katastrophe, so wie mancher angebliche Fehltritt von Steinbrück zuletzt medial aufgebauscht war. Aber eine erstaunliche Pech- und Pannen-Serie verhindert, dass Steinbrück mit seinen Botschaften richtig durchdringt. „Das ist wie einige Zeit bei Philipp Rösler“, sagt selbst ein hoher Regierungsbeamter in einer Mischung aus Schadenfreude und Mitgefühl, „Steinbrück kann im Moment machen, was er will, er kommt nicht aus dem Loch“.

Berater setzen auf Stimmungsumschwung

Steinbrücks Berater indes geben sich gelassen: Sie setzen auf einen langsamen Stimmungsumschwung und darauf, dass irgendwann auch Kanzlerin Merkel aus der Deckung kommen muss. Der Kandidat schwärmt von einem „Gezeitenwechsel“, einem neuen Gemeinsinn in der Bevölkerung, von dem die SPD profitieren werde. Thematisch sehen sich die Sozialdemokraten gut aufgestellt: Forderungen nach Mindestlohn, gerechten Bildungschancen, bezahlbaren Wohnungen oder der Zähmung der Finanzmärkte sollen die SPD klar von Schwarz-Gelb unterscheiden.

Steinbrück aber droht auf dem Parteitag eine heikle Diskussion: Die SPD-Linke will noch eine europäische Vermögensabgabe ins Programm schreiben lassen. Die Parteispitze winkt ab, doch Steinbrück hat ein Problem: Er findet eine – befristete – Vermögensabgabe eigentlich sinnvoller als die im Wahlprogramm verankerte Vermögenssteuer, die bei falscher Konstruktion Unternehmen stark belasten könnte. Es ist einer der Programmpunkte, bei denen sich Steinbrück nicht durchsetzen konnte. Viele sind es nicht.

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Die wesentlichen Wahlaussagen – auch zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes - haben SPD-Parteitage ohnehin schon vor ein oder zwei Jahren beschlossen; der Linksruck, von dem jetzt die Rede ist, hat damals stattgefunden. Steinbrück, der das Programm nun als „links von der Mitte“ einordnet, wusste also, worauf er sich einließ. Gilt das umgekehrt auch für die SPD? Noch steht die Partei geschlossen hinter dem Kandidaten, aber die Ungeduld wächst. Es gebe „Unzufriedenheit in der Partei“, sagt Vorstandsmitglied Ralf Stegner, Steinbrück müsse stärker zuspitzen. Ein Sozialdemokrat aus der engeren Führung empfiehlt nach der Pannen-Serie sarkastisch das Gegenteil: „Am besten, wir schicken Steinbrück bis zur Wahl auf eine Insel.“

Alle Hoffnung ruht auf dem Kompetenzteam

Ob in dieser Stimmungslage die Geschlossenheit noch lange anhält, ist fraglich. Alle Hoffnungen der Wahlkämpfer richten sich jetzt auf das Kompetenzteam, das Steinbrück mit einiger Verzögerung in den nächsten Wochen vorstellen wird: Etwa acht Ministerkandidaten, je zur Hälfte Frauen und Männer, sollen dem Wahlkampf neuen Schwung geben. Parteichef Gabriel und Fraktionschef Steinmeier werden dem Team aber nicht angehören. Steinbrück wird bis dahin an seinem Image feilen: Der oft als ruppig wahrgenommene Kandidat soll seine menschlich-private Seite herausstellen, haben ihm seine Berater verordnet. Dass Steinbrück etwa gern Fahrrad fährt, wird bald häufiger zu sehen sein.

Kanzlerkandidat Peer Steinbrück

Fünf Jahre lang gehörte Peer Steinbrück dem Kabinett von Heide Simonis in Schleswig-Holstein an, 1998 wechselte der gebürtige Hamburger nach NRW, wo er schon als Beamter gearbeitet hatte. Er wurde zunächst Wirtschafts- und Verkehrsminister unter Wolfgang Clement, der ihm hier die Hand schüttelt.
Fünf Jahre lang gehörte Peer Steinbrück dem Kabinett von Heide Simonis in Schleswig-Holstein an, 1998 wechselte der gebürtige Hamburger nach NRW, wo er schon als Beamter gearbeitet hatte. Er wurde zunächst Wirtschafts- und Verkehrsminister unter Wolfgang Clement, der ihm hier die Hand schüttelt. © dpa
Peer Steinbrück bei seiner Vereidigung im Landtag
Peer Steinbrück bei seiner Vereidigung im Landtag © dpa
Im Jahr 2000 wechselte Steinbrück ins Düsseldorfer Finanzministerium. Der Job machte ihm offenbar Spaß, obwohl er...
Im Jahr 2000 wechselte Steinbrück ins Düsseldorfer Finanzministerium. Der Job machte ihm offenbar Spaß, obwohl er...
...wegen seiner Haushaltspolitik von der Opposition scharf kritisiert wurde.
...wegen seiner Haushaltspolitik von der Opposition scharf kritisiert wurde. © dpa
Selbstzufriedener Blick in die Zukunft: Als Ministerpräsident Wolfgang Clement als Gerhard Schröders
Selbstzufriedener Blick in die Zukunft: Als Ministerpräsident Wolfgang Clement als Gerhard Schröders "Superminister" nach Berlin wechselte, war... © dpa
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...der Weg für Steinbrück frei: Er wurde neuer Ministerpräsident in NRW. © dpa
Als Ministerpräsident in NRW (hier bei der Vereidigung) kam auch der als distanziert geltende Steinbrück...
Als Ministerpräsident in NRW (hier bei der Vereidigung) kam auch der als distanziert geltende Steinbrück... © dpa
...nicht um Kontakt zum Wahlvolk herum. Offenbar machten ihm solche Termine, wie hier im Bergwerk Ost, sogar Spaß.
...nicht um Kontakt zum Wahlvolk herum. Offenbar machten ihm solche Termine, wie hier im Bergwerk Ost, sogar Spaß.
Naja, vielleicht immerhin ein bisschen. Er musste sich aber nicht jeden Tag schmutzig machen, denn als Ministerpräsident...
Naja, vielleicht immerhin ein bisschen. Er musste sich aber nicht jeden Tag schmutzig machen, denn als Ministerpräsident...
...begrüßte Peer Steinbrück auch manch prominenten Gast, darunter auch Queen Elisabeth II.
...begrüßte Peer Steinbrück auch manch prominenten Gast, darunter auch Queen Elisabeth II. © Getty Images
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Fußball-Idol, Frauenschwarm oder beides? Auf einem Kongress für Mädchen- und Frauenfußball gibt Steinbrück ein Autogramm - stilecht auf dem Lederball. © Bongarts/Getty Images
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Peer Steinbrück mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Im Frühjahr 2005 hofften beide noch, dass... © Getty Images
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...die SPD in NRW an der Macht bleiben könnte. Dafür warf sich der knurrige Hanseat in den Wahlkampf, so wie hier in Duisburg. © Getty Images
Der 22. Mai 2005 wurde für Peer Steinbrück und die SPD zum Tag der Wahrheit. Das Bild zeigt ihn mit seinen Töchtern und seiner Ehefrau auf dem Weg zur Wahlurne.Abends stand fest, dass...
Der 22. Mai 2005 wurde für Peer Steinbrück und die SPD zum Tag der Wahrheit. Das Bild zeigt ihn mit seinen Töchtern und seiner Ehefrau auf dem Weg zur Wahlurne.Abends stand fest, dass... © Getty Images
...der Kampf nichts gebracht hatte. CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers hatte sich durchgesetzt. Peer Steinbrück gratuliert.
...der Kampf nichts gebracht hatte. CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers hatte sich durchgesetzt. Peer Steinbrück gratuliert. © Getty Images
Der Wahlkampf in NRW ist zu Ende, doch quasi zeitgleich beginnt ein neuer: Denn Bundeskanzler Gerhard Schröder ruft nach der Wahlniederlage seiner SPD in NRW zu Neuwahlen des Bundestags auf.
Der Wahlkampf in NRW ist zu Ende, doch quasi zeitgleich beginnt ein neuer: Denn Bundeskanzler Gerhard Schröder ruft nach der Wahlniederlage seiner SPD in NRW zu Neuwahlen des Bundestags auf. © Getty Images
Die vorgezogene Bundestagswahl im Herbst 2005 machte Angela Merkel zur Kanzlerin und Peer Steinbrück zum Finanzminister. Im November...
Die vorgezogene Bundestagswahl im Herbst 2005 machte Angela Merkel zur Kanzlerin und Peer Steinbrück zum Finanzminister. Im November... © Getty Images
...wurde er von Bundestagspräsident Norbert Lammert vereidigt.
...wurde er von Bundestagspräsident Norbert Lammert vereidigt. © Getty Images
Damals noch als Team, heute sind sie Gegner: Steinbrück und Merkel.
Damals noch als Team, heute sind sie Gegner: Steinbrück und Merkel. © Getty Images
Fußballfan Peer Steinbrück beim WM-Halbfinale 2006 im Dortmunder Stadion.
Fußballfan Peer Steinbrück beim WM-Halbfinale 2006 im Dortmunder Stadion. © Bongarts/Getty Images
Peer Steinbrück bei einer Kabinettssitung mit der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU).
Peer Steinbrück bei einer Kabinettssitung mit der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU). © Getty Images
Seit 37 Jahren ist Peer Steinbrück mit seiner Frau Gertrud verheiratet. Das Bild zeigt sie beim Besuch des Bundespresseballs.
Seit 37 Jahren ist Peer Steinbrück mit seiner Frau Gertrud verheiratet. Das Bild zeigt sie beim Besuch des Bundespresseballs. © Getty Images
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Steinbrück beim Tanz mit Boxerin Regina Halmich. © Bongarts/Getty Images
In der Finanzkrise wurde Finanzministerminister Steinbrück für die Kanzlerin immer wichtiger. Im Oktober 2008 garantierten sie den Bundesbürgern: Die Spareinlagen sind sicher. Damit verhinderte die Regierung einen möglichen Sturm auf die Banken, der einen Kollaps der Wirtschaft hätte bedeuten können.
In der Finanzkrise wurde Finanzministerminister Steinbrück für die Kanzlerin immer wichtiger. Im Oktober 2008 garantierten sie den Bundesbürgern: Die Spareinlagen sind sicher. Damit verhinderte die Regierung einen möglichen Sturm auf die Banken, der einen Kollaps der Wirtschaft hätte bedeuten können. © Getty Images
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Mit der Bundestagswahl 2009 endete die... © Getty Images
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...der Abgeordnete Steinbrück: Zum ersten Mal zog er als Parlamentarier in den Bundestag ein, musste aber zusammen mit Parteichef Sigmar Gabriel auf den harten Oppositionsbänken Platz nehmen. © Getty Images
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Schon mehr als ein Jahr vor der Bundestagswahl 2013 diskutierte die Öffentlichkeit über die "K-Frage" der SPD. Schnell kristallisierte sich heraus: Einer aus der "Troika" Steinbrück, Steinmeier und Gabriel sollte es machen. © Getty Images
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Ende September fiel dann die Entscheidung zugunsten von Steinbrück. Auf einem Nominierungsparteitag bestätigten die Mitglieder seine Kandidatur mit großer Mehrheit. © Getty Images
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...der Kandidat selbst vieles davon nicht so ernst nehmen mag, sondern lieber seiner Partei beim Wahlkampf in Niedersachsen unterstützt. © Getty Images
Bis zur Bundestagswahl muss Steinbrück noch Überzeugungsarbeit beim Wähler leisten: Noch liegt Angela Merkels CDU deutlich vor Steinbrück und der SPD.
Bis zur Bundestagswahl muss Steinbrück noch Überzeugungsarbeit beim Wähler leisten: Noch liegt Angela Merkels CDU deutlich vor Steinbrück und der SPD. © Getty Images
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