Berlin. . Der SPD-Kanzlerkandidat macht Wahlkampf mit jungen Schauspielern vor einem bunten Publikum. Er versucht locker zu sein und ist vorsichtig geworden – abfällige Sprüche über preiswerte Weine kommen nicht mehr über seine Lippen. Bei zehn Länderreisen durch Deutschland will er zeigen: Ich kann auch anders.
Peer Steinbrück liegt hinter einem Vorhang in einem Bad von weißen Plastikkugeln, fast Kopf an Kopf mit Antonia (19). Sie blicken an die Decke, sie wollen jetzt über die Zukunft reden. „Peer“, fragt Antonia, „welchen Song würdest Du in die Zukunft mitnehmen?“
Lächelnd sagt der SPD-Kanzlerkandidat: „Walk on the wild side“, den Klassiker von Songwriter Lou Reed. Und welche drei Dinge würde er mit auf eine Insel nehmen? „Ein Taschenmesser“, fängt Steinbrück an, „Krieg und Frieden von Leonid Tolstoi und eine Flasche Rotwein.“
Es klingt alles ganz locker, doch nun will es Antonia genau wissen. Welchen Rotwein? Und plötzlich ist Steinbrück auf der Hut: „Ich nenne jetzt keine Marke und über Preise rede ich schon gar nicht.“ Steinbrück ist vorsichtig geworden, er will nicht wieder Ärger haben wegen despektierlicher Äußerungen wie im Dezember, als er erklärte, er kaufe keine Flasche Pinot Grigio für nur fünf Euro.
Kanzlerkandidat Peer Steinbrück
1/32
Länderreise in den Wahlkampf
Denn dies ist kein privater Plausch, es ist Teil eines ungewöhnlichen Wahlkampfes. Steinbrück liegt mit der angehenden Schauspielschülerin Antonia Münchow auf einer Bühne des Deutschen Theaters in Berlin, der Zuschauerraum ist dicht gefüllt. Bei einer „Länderreise“ genannten Tour durch die Hauptstadt besucht der Kanzlerkandidat auch die Proben eines Projekts, bei dem zehn Jugendliche darstellen, wie sie sich die Zukunft im Jahr 2035 vorstellen. Sie spielen in weißen Schutzanzügen Theater, und Steinbrück spielt im grauen Zwirn auf seine Weise mit: Für ihn ist diese Begegnung der Vorlauf eines neuen Wahlkampfabschnitts.
Am übernächsten Wochenende, mit dem Programmparteitag in Augsburg, soll die Mobilisierungsphase der SPD starten, Steinbrück will endlich den Abstand zu Kanzlerin Merkel verkleinern. In den nächsten Wochen wird er sein Kompetenzteam vorstellen, eine Gruppe von etwa acht Schattenministern.
Familie, Gleichstellung, Kultur – Peer und die weichen Themen
Zehn Länderreisen plant der Kanzlerkandidat bis Mai. Sein Profil als Finanzfachmann soll ergänzt werden durch die gezielte Beschäftigung mit weicheren Themen: Familie, Gleichstellung, Kultur. In Berlin prägt die Kreativwirtschaft – Plattenfirmen, Theater, Radio – sein Reiseprogramm. Heute reist der Kandidat zu politischen Gesprächen nach Paris, am Freitag wird er dort auch Präsident François Hollande treffen. Es läuft eigentlich nicht schlecht mit der Kampagne.
Allein, in den Umfragen wirkt sich das nicht aus, Steinbrück und seine Partei legen allen Mühen zum Trotz nicht zu. Weil Rot-Grün aktuell eine Mehrheit fehlen würde, werden in den eigenen Reihen die ersten Spitzenleute nervös.
Zwischen SPD und Grünen gibt es gereizte Töne, gegenseitig verdächtigt man sich Koalitionsplänen mit der CDU. Und der Berliner SPD-Landeschef Jan Stöss hat zu Ostern als erster Genosse offen für eine rot-grüne Minderheitsregierung auf Bundesebene geworben, toleriert von der Linkspartei. Steinbrück schließt das auf seiner Berlin-Tour strikt aus: Er habe immer wieder klar gemacht, dass eine solche Regierung für ihn nicht in Frage komme.
„Wir brauchen mehr und neue Wohnungen“
Im Deutschen Theater stellt er begeistert fest, dass eines seiner zentralen Wahlkampfthemen auch bei den Jugendlichen verfängt. Die klagen über steigende Mieten in Berlin und Steinbrück ruft: „Wir müssen etwas tun gegen extreme Mietsteigerungen, wir brauchen mehr und neue Wohnungen.“
Es läuft so gut, dass der Kandidat irgendwann seine Vorsicht vergisst. Als die jungen Theaterleute von ihrer Angst vor einem neuen Atomkrieg sprechen, will Steinbrück wissen, ob sie sich Sorgen über den „verrückten Nordkoreaner“ machen. Er meint den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un. Aber diesmal bleibt die undiplomatische Lästerei folgenlos.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.