Rom. . Im krisengeschüttelten Italien wird die Stimmenauszählung nach der Wahl zur Zitterpartie. Hochrechnungen der Fernsehsender sahen am Montag ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Senat zwischen dem Rechtsbündnis um Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi und der Mitte-Links-Allianz um Pier Luigi Bersani.
Die neue Regierung in Rom, wie immer sie auch aussehen wird, ist nicht zu beneiden: Sie hat nichts zu verteilen, aber sie muss einem ganzen Land wieder Hoffnung geben. Das beschränkt sich nicht nur auf Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft, da ist viel Psychologie im Spiel, Glaubwürdigkeit, eigenes Beispiel und die Fähigkeit, Vertrauen zu vermitteln.
Doch genau dieses Vertrauen, auf das nicht nur die Krisengeschüttelten Italiener, sondern auch die Partner in der Europäischen Union so sehr hofften, scheint nach den beiden Wahltagen in Italien in großer Gefahr. In Rom drohen – mal wieder – unklare Mehrheitsverhältnisse und die Aussicht auf eine Unregierbarkeit des Landes.
Politische Pattsituation droht
Zwar setzte sich im Abgeordnetenhaus offenbar das Mitte-Links-Bündnis des Sozialdemokraten Pier Luigi Bersani durch; doch im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, deutete am Montagabend vieles darauf hin, dass das von Ex-Premier Silvio Berlusconi geführte Bündnis der rechten Mitte eine knappe Mehrheit für sich verbuchen könnte. Das Ergebnis wäre ein politisches Patt.
Der scheidenden Regierungschef und Reformer Mario Monti sicherte sich bei zwei Dritteln der ausgezählten Stimmen mit seinem Bündnis der Mitte nur 9,2 Prozent der Stimmen und 17 Sitze im Senat zu. Bersani lag mit seinem Mitte-Links-Bündnis bei 104 Sitzen. Gemeinsam lägen sie mit 121 Sitzen immer noch hinter den 123 des Mitte-Rechts-Bündnisses. Allerdings schafft es Berlusconi so auch nicht zu der notwendigen Mehrheit von 158 Sitzen. Monti hatte ein Zusammengehen mit dem Mitte-Rechts-Lager kategorisch ausgeschlossen.
Erst Jubel, dann Sorge an der Börse
Dabei hatten erste Prognosen nach Schließung der Wahllokale am Nachmittag dafür gesprochen, dass Sozialdemokraten-Chef Bersani mit seinem Bündnis einen Wahlsieg erringen könnte. Die europäischen Börsen, die vor allem eine Rückkehr des populistischen Ex-Premiers Silvio Berlusconi fürchteten, feierten bereits den Sieg des Pro-Europäers Bersani. Als sich dann jedoch andeutete, dass Berlusconis Mitte-Rechts-Bündnis im Senat vorn liegen könnte, gaben die Kurse wieder deutlich nach. Die Angst vor einem politischen Wackelkandidaten in Rom war wieder da.
Schon bald Neuwahlen
„Wenn die Dinge so bleiben, wird das nächste Parlament unregierbar sein“, sagte der stellvertretende Sekretär von Bersanis Demokratischen Partei (PD), Enrico Letta, im italienischen Fernsehen. Dann müsse man zu den Wahlurnen zurückkehren. „Wenn sich diese Werte in den kommenden Tagen bestätigen, wird es ein Erdbeben geben, nicht nur in Italien, sondern in ganz Europa“, sagte Letta dem Fernsehsender Tg3.
Zu den sicheren Gewinnern der Wahl gehört Beppe Grillo (64). Der polemische Komiker aus Genua trat mit seiner 2009 gegründeten „Fünf-Sterne-Bewegung“ zum ersten Mal bei den Parlamentswahlen an. Seine Partei könnte nun den Hochrechnungen zufolge drittstärkste Kraft im Senat mit rund 24 Prozent werden, hinter den Bündnissen von Berlusconi und Bersani.
Monti weit abgeschlagen
Abgeschlagen an vierter Stelle folgt die Liste des bisherigen Regierungschefs Mario Monti. Monti hatte vor gut einem Jahr nach dem Abgang von Berlusconi als Premierminister mit einer Regierung aus Technokraten die Macht übernommen.
Monti hatte zwar aus dem Ausland viel Lob für seinen auf Stabilität ausgerichteten Kurs erhalten. Viele Italiener kritisierten jedoch seine teils drastischen Sparmaßnahmen, die oft zu Lasten der einfachen Bürger gingen, die Reichen jedoch meist verschonte. Monti käme nun als möglicher Koalitionspartner für Bersani infrage.