Rom. Die Parlamentswahlen im krisengeplagten Italien gelten als wichtigste seit 1945. Der Ausgang der Wahl beeinflusst auch die Finanzkrise in der Euro-Zone. Bei der Stimmabgabe Silvio Berlusconis kam es zu Protesten, der Demokratische Partei (PD) mit ihrem Spitzenkandidaten Pier Luigi Bersan werden gute Siegchancen eingeräumt.
Im rezessions- und schuldengeplagten Italien hat am Sonntag eine der wichtigsten Parlamentswahlen seit 1945 begonnen, deren Ausgang auch über die Finanzkrise in der Euro-Zone entscheidet. Bis Montagnachmittag können an die 47 Millionen Bürger ihre Stimme abgeben. Viele Wähler äußerten Zweifel, dass die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone eine stabile Regierung bekommen wird. Nach den zwei Wochen alten letzten Umfragen hat die sozialdemokratisch orientierte Demokratische Partei (PD) mit ihrem Spitzenkandidaten Pier Luigi Bersani gute Chancen, mit knappem Vorsprung stärkste politische Kraft zu werden.
Er rechne damit, dass Abgeordnetenkammer und Senat bereits 2015 wiedergewählt werden müssten, sagte der Mailänder Wähler Vicenzo D'Ouria. "Wir werden die kommenden beiden Jahre Instabilität erleben." Ähnlich äußerte sich auch der Bauarbeiter Attilio Bianchetti, der für die Protestbewegung Fünf Sterne des Komikers Beppe Grillo gestimmt hatte. "Keine Regierung wird unsere Probleme lösen können."
In der Finanzmetropole Mailand gab der im Ausland für seine Konsolidierungspolitik gerühmte amtierende Ministerpräsident Mario Monti seine Stimme ab. Die Zentrums-Bewegung des früheren EU-Kommissars liegt in den Umfragen abgeschlagen auf dem vierten Platz, könnte aber Juniorpartner in einer Koalition mit Bersanis Links-Allianz werden. Der Ex-Kommunist Bersani, der in seinem Heimatort Piacenza abstimmte, hat eine Fortsetzung von Montis Politik angekündigt, will sie aber sozial abfedern.
Barbusige Frauen riefen "Basta Berlusconi"
Begleitet von Protesten barbusiger Demonstrantinnen gab der langjährige Ministerpräsident Silvio Berlusconi in Mailand seine Stimme ab. Die Mitglieder der ukrainischen Bewegung Femen riefen "Basta Berlusconi" und wurden von Polizisten schnell und grob abgedrängt.
Mit Spannung wird das Abschneiden Berlusconis und Grillos erwartet. Der 76-jährige Medienzar Berlusconi hatte in einer beispiellosen Aufholjagd seinen Rückstand auf die PD auf gut fünf Prozentpunkte verringert. Der skandalumwitterte Rechtspopulist hat unter anderem die Rückzahlung der unpopulären Immobiliensteuer versprochen, die wegen des hohen Anteils an Wohneigentum mehr als drei Viertel aller Italiener bezahlen müssen. Die Finanzmärkte haben nervös auf die Möglichkeit einer fünften Amtszeit Berlusconis reagiert, da sie ihn für den Hauptverantwortlichen der Krise halten. Das südeuropäische Gründungsmitglied der EU steckt seit Jahren in der Rezession und leidet an einem nur noch von Griechenland übertroffenen Schuldenstand.
Riesenzulauf bei Abschlusskundgebung Grillos
Wie tief die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den traditionellen Parteien ist, zeigte am Freitagabend der Riesenzulauf von über einer halben Million Menschen zur Abschlusskundgebung Grillos. Seine Protestbewegung Fünf Sterne kann mit bis zu 20 Prozent der Stimmen rechnen, strebt aber nicht in die Regierung und hat überwiegend unerfahrene Kandidaten aufgestellt. "Die Italiener wollen den Wandel, aber den können sie nicht mit Grillo erreichen", sagte die Ingenieurin Cristina Rossi, die in Mailand für die Sozialdemokraten gestimmt hatte. "Er ist das wirklich einzig neue Gesicht in der politischen Landschaft, in der wir dieselben Nasen viel zu lange gesehen haben", sagte dagegen der Berlusconi-Wähler Vincenzo Cannizzaro in Palermo auf Sizilien.
Zusätzliche Komplikationen schafft das Wahlsystem, weil die Abgeordnetenkammer auf nationaler Ebene, der Senat aber in den Regionen gewählt wird. Daher kann es unterschiedliche Mehrheiten in beiden gleichberechtigten Häusern geben, die sich dann gegenseitig blockieren könnten. Mit ersten Hochrechnungen ist am Montag kurz nach Schließung der Wahllokale um 15.00 Uhr, mit offiziellen Ergebnissen am Abend oder Dienstagfrüh zu rechnen. (Reuters)