Frankfurt/Main. . Italien wählt. Ob der zweitägige Urnengang für klare Verhältnisse sorgt, steht noch nicht fest. Mehrere Szenarien sind denkbar - mit unterschiedlichen Folgen für Rom und den Euroraum. Ein Sieg von Luigi Bersani gilt als günstigster Fall, auch wenn von ihm keine drastischen Reformen erwartet werden.
Europa hält den Atem an: Um 1500 Uhr schließen die Wahllokale in Italien. Kehrt Silvio Berlusconi in Italien zurück an die Macht? Gibt es eine stabile Regierung in Rom? Vom Ausgang des Urnengangs hängt viel ab für die drittgrößte Euro-Volkswirtschaft und den gemeinsamen Währungsraum. Mehrere Szenarien sind denkbar:
Das Mitte-Links-Bündnis um Pier Luigi Bersani setzt sich durch
Ein Sieg Bersanis gilt als günstigster Fall, von den Aktienmärkten mit einem Kursfeuerwerk bejubelt. Drastische Reformen werden von dem Chef der sozialdemokratisch orientierten PD jedoch nicht erwartet. Bersani werde "die Reformagenda des amtierenden Ministerpräsidenten Mario Monti mit mehr Rücksicht auf den Sozialstaat" fortsetzen, meinen Ökonomen der Allianz. Commerzbank-Chefvolkswirt Jürgen Krämer formuliert es härter: "Bersani hat im Wahlkampf keine Vision entwickelt, um die wirtschaftlichen Probleme des Landes zu lösen." Nach Einschätzung von Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel steht der PD-Chef zwar eher für eine Fortsetzung des Reformkurses als der umstrittene Ex-Ministerpräsident Berlusconi. "Eine Garantie gibt es aber nicht".
Hängepartie um die Regierungsbildung bei einem Patt
Sollte in Rom keine regierungsfähige Mehrheit zustande kommen, "dann sind Turbulenzen zu erwarten, wie wir sie vor zwei Jahren bereits hatten", sagt Lüder Gerken, Direktor des Centrums für Europäische Politik in Freiburg. Er befürchtet massive Reaktionen der Finanzmärkte. Eine Blockade sei genauso schlecht wie eine Rückkehr Berlusconis. "In beiden Fällen wären die dringend notwendigen Reformen nicht möglich." Das hoch verschuldete Land steckt in einer tiefen Rezession mit schmerzhaft hoher Jugendarbeitslosigkeit.
"Große Koalition" oder Technokraten-Kabinett
Nicht auszuschließen ist, dass sich die Parteien bei unklaren Machtverhältnisse zu einer "Großen Koalition" von Mitte-Links bis Mitte-Rechts zusammenraufen, meinen Beobachter. Eine andere Möglichkeit: Eine Technokraten-Regierung, möglicherweise erneut unter Montis Führung. Allen diesen Modellen sagen Ökonomen von JP Morgan allerdings nur eine geringe Halbwertzeit voraus. Neuwahlen im Laufe des Jahres seien sehr wahrscheinlich. Das dürfte weder den Finanzmärkten noch der Politik in Europa gut gefallen.
Berlusconis Bündnis gewinnt die Wahl
Kursstürze an den Aktienmärkten und ein Wiederaufflammen der Schuldenkrise könnten die Folge sein. "Das ist das Worst-Case-Szenario. Berlusconis Wahlkampfversprechen, die Steuern zu senken, könnte die Haushaltskonsolidierung in Italien gefährden", sagt Postbank-Chefvolkswirt Bargel. "Die erste Reaktion der Märkte dürfte negativ auch für andere Euro-Schuldenstaaten sein." Italien und andere Krisenländer müssten zunächst höhere Zinsen zahlen, um sich am Kapitalmarkt frisches Geld zu besorgen. Erst später würden die Investoren zwischen den einzelnen Staaten differenzieren.
Besonders drastisch drückt es Volkswirt Krämer aus: Eine Wiederwahl Berlusconis "wäre für die Anleger ein Horror-Szenario, die Staatsschuldenkrise würde wieder hochkochen". Die Experten der Allianz warnen: "Italien sollte das wiedergewonnene Vertrauen nicht durch starke antieuropäische Kräfte in der Politik und eine Abkehr von dem eingeleiteten Reformweg verspielen." (dpa)