Essen. . Europa in der Euro-Krise: Am Freitag will der Bundespräsident in einer programmatischen Rede jenseits der hektischen Rettungsmaßnahmen an die europäische Idee und die politische Union erinnern. Doch vor dem Hintergrund des startenden Bundestagswahlkampfs spart die Politik das Thema Europa lieber aus.

Es wird die erste große Rede des Bundespräsidenten sein, die Erwartungen sind hoch. Wenn Joachim Gauck am Freitag im Schloss Bellevue über die Zukunft Europas spricht, muss er zeigen, dass er als Staatsoberhaupt auch inhaltliche Akzente setzen kann. Denn eine im Gedächtnis bleibende Rede hat der 73-Jährige noch nicht gehalten.

Nun also: 200 Gäste sind geladen, das Fernsehen überträgt live, wenn Gauck die „Perspektiven der europäischen Idee“ ausmalt. Es ist eine große Chance – für Gauck und für die Republik, die eine Debatte über Europa jenseits der Euro-Krise dringend nötig hätte.

Dröhnendes Schweigen in der deutschen Politik zum Thema EU

Denn bei der Frage nach der Zukunft der EU herrscht in der deutschen Politik derzeit dröhnendes Schweigen: Zwar ist sich der Großteil der Elite einig, dass nach den kurzatmigen Euro-Rettungsmaßnahmen, die Europa mental tief gespalten haben, noch in diesem Jahrzehnt die politische Union entscheidend vorangebracht werden muss.

Nur so richtig über die Konsequenzen reden mag im beginnenden Bundestagswahlkampf niemand mehr. Die Bürger sollen nicht erneut verunsichert werden.

Zukunftsvision Vereinigte Staaten

Das war noch vor Jahresfrist anders: Als Signal an die Finanzmärkte warb die Bundeskanzlerin persönlich für eine politische Union, bei der „Schritt für Schritt Kompetenzen an Europa abgegeben werden müssen“.

Ihr Finanzminister Schäuble hat im Juni 2012 sogar ein Reformmodell entworfen: Die EU-Kommission soll zu einer echten Regierung werden, ihr Präsident direkt von allen EU-Bürgern gewählt werden. Und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hielt im Vorjahr das Europa-Plebiszit schon „2013 oder 2014“ für möglich. Doch jetzt ist mit Blick auf die Stimmung der Wähler davon keine Rede mehr, zu groß sind die Widerstände.

Die Vereinigten Staaten in Europa sind für Gauck zwar eine „Zukunftsvision“, aber „mehr Kooperation, mehr Abstimmung und mehr Instanzenklarheit“ sei rasch notwendig. „Wir müssen“, hat der Präsident vor wenigen Monaten schon erklärt, „mehr Europa wagen“.