Berlin. Alt-Kanzler Helmut Schmidt (SPD) hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ erneut scharf für ihre Politik in der Eurokrise kritisiert. Die Kanzlerin habe eine „zu starke Zentralisierung auf ihre Person vorgenommen“. Bundespräsident Gauck verteidigte Merkel.
Alt-Kanzler Helmut Schmidt hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für ihre Politik in der Eurokrise erneut scharf angegriffen. Es sei „zum Teil ihre eigene Schuld“, dass es in einigen europäischen Ländern Bilder gebe, die Merkel „mit einer Hakenkreuzbinde zeigen“, sagte Schmidt am Donnerstag in der ZDF-Talksendung „Maybrit Illner“. Die Kanzlerin habe eine „zu starke Zentralisierung auf ihre Person vorgenommen“. Einige Nachbarländer hätten „das Gefühl, dass Deutschland ein neues Zentrum sein sollte“, kritisierte der Sozialdemokrat.
Bundespräsident Joachim Gauck nahm in der Sendung die Kanzlerin in Schutz. „Wir stehen heute nicht vor dem Problem, dass eine geschichtsvergessene Regierungschefin sagt: am deutschen Wesen soll die Welt genesen“, sagte er. Merkel kämpfe auch „stellvertretend für andere benachbarte Nationen“ für einen stabilen Euro.
Es sei falsch, wenn der Eindruck erzeugt werde, dass die Kanzlerin „gegen den Rest Europas steht“, sagte Gauck. Er sei überzeugt von Merkels „ hoher Rationalität und ihrem Handlungswillen“, sagte Gauck. In der Eurokrise sei es selbst für Wissenschaftler „außerordentlich schwer zu wissen, welcher Schritt der richtige ist“.
Gauck: Risikobereitschaft im monetären Bereich gehört zu guter Politik
„Eine gewisse Risikobereitschaft auch im monetären Bereich gehört mit zu einer guten Politik“, fügte der Bundespräsident hinzu. Vor allem dürfe man aber in der Eurokrise nicht die Geduld verlieren, „nicht durchdrehen und nicht hysterisch werden“.
Gauck sagte, es könne schon sein, dass es in der EU einmal eine „Wohlstandsdelle“ gebe. Europa sei aber „auch im Falle ein gewissen Begrenzung der Freude am Leben ein lebenswerter Raum, wegen der Freiheit und wegen der Demokratie.“ Er traue hier der deutschen Bevölkerung eine ganz Menge zu. Auch beim Ausbruch der Finanzkrise 2008 seien die Deutschen ruhig geblieben. Rechtsextremisten hätten in der Bundesrepublik politisch keine Chance.
„Kein Penny“ für Griechenland überwiesen
Schmidt sagte: „Ich möchte wünschen, dass der Bundespräsident recht bekommt.“ Der Alt-Kanzler bemängelte aber: „Wir reden nur von Opfern, die in Zukunft möglicherweise auf uns zukommen.“ Tatsächlich sei bis heute „aus dem deutschen Bundeshaushalt kein Penny nach Griechenland überwiesen worden“. Zugleich lobte Schmidt die Europäische Zentralbank. Diese habe „ihre Aufgabe in fabelhafter Weise erfüllt“ und bislang keine Inflation zugelassen.
„Die Deutschen müssen den Eindruck vermeiden, als ob sie das Zentrum sein wollen“, mahnte der Alt-Kanzler. Zugleich seien sie stärker verantwortlich für Europa als anderen Völker, „weil wir sechs Millionen jüdische Mitbürger fabrikmäßig umgebracht haben.“ (dapd)