Essen/Berlin. . Jeder Mensch braucht nur einen Pass, findet der Berliner Sozialdemokrat Heinz Buschkowsky. Prominente SPD-Mitglieder sind schockiert über seinen Generalverdacht gegenüber Migranten, die bei der Einbürgerung nicht auf ihren alten Pass verzichten wollen. Denn die offizielle Parteimeinung ist eine andere.

Hat der streitbare Heinz Buschkowsky (64, SPD) jetzt den Bogen überspannt? Das, was der Bezirksbürger­meister von Berlin-Neukölln ­unlängst in einer Boulevardzeitung über die doppelte Staatsangehörigkeit schrieb, empfinden viele Sozialdemokraten als unerträglich.

Der SPD-Europaabgeordnete ­Ismail Ertug beschwert sich in einem Brief an den Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel bitterlich über Buschkowsky. „Der Genosse kriminalisiert pauschal in Deutschland lebende Migranten“, wettert Ertug. Der Berliner Kommunalpolitiker habe ein „verschobenes Weltbild“

„Mumpitz“ und „Populismus“?

Tatsächlich ist die Kolumne, die Buschkowsky für „Bild“ schrieb, starker Tobak. „Wozu braucht ein normaler Mensch zwei oder gar noch mehr Pässe? Ich hatte bisher immer nur einen“, so Busch­kowsky.

Hinter der Begehrlichkeit nach mehreren Pässen stehe wohl der Wunsch, „hier oder dort Vorteile im Sozialsystem, bei der Krankheits- und Altersversorgung oder beim Aufenthaltsrecht abzugreifen“. Auch ermöglichten mehrere Staatsangehörigkeiten „das Abtauchen, die Flucht und den Schutz vor Bestrafung für Missetaten“. Man könne nicht Diener zweier Herren sein, findet der Politiker.

Konkret bezieht er sich dabei auf einen brutalen Überfall von Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf einen 20-Jährigen im Herbst am Berliner Alexanderplatz. Der junge Mann starb. Zwei Tatverdächtige hatten sich in die Türkei abgesetzt. Einer, so Buschkowsky, soll seine deutsche Staatsbürgerschaft abgelegt haben, um sich vor Auslieferung zu schützen.

Von allen guten Geistern verlassen?

Sozialdemokraten reiben sich die Augen ob solcher Worte. „Buschkowsky hat unbestreitbar kommunalpolitische Verdienste. Aber so stellt er sich außerhalb der Wertvorstellungen der SPD und noch rechts von Thilo Sarrazin auf. Mit solchen Äußerungen stellt er unter Beweis, dass er endgültig von allen guten Geistern verlassen ist“, sagte der SPD-Experte für Integration im Bundestag, Rüdiger Veit, der WAZ-Mediengruppe.

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Für den Dortmunder SPD-Bundestagsabgeordneten Marco Bülow sind die Sätze Buschkowskys „schrecklich, reiner Populismus“. Der Berliner entwickele sich immer mehr in die Sarrazin-Richtung. Bülow: „Er geht der SPD zunehmend auf den Wecker.“ Apostolos Tsalastras, Intergra­tions-Experte der NRW-SPD, nennt Buschkowskys Äußerungen schlicht „absoluter Mumpitz“.

Jeder 2. Neubürger hat Doppelpass

Von einem Parteiausschluss halten aber weder Tsalastras noch Bülow noch NRW-Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) etwas. „Die SPD ist eine Volkspartei. Unterschiedliche Auffassungen muss man aushalten und demo­kratisch ausfechten“, so Schneider. Die Partei und die rot-grüne ­Landesregierung wollen die Doppelstaatsangehörigkeit. „Denn wir brauchen mehr und nicht weniger Einbürgerungen in Deutschland“, sagte Schneider zur WAZ.

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Wie viele Bundesbürger mehrere Pässe besitzen, ist nicht bekannt. Daten aus NRW aus 2010 zeigen, dass jeder Zweite der damals 30.000 Eingebürgerten noch mindestens einen weiteren Pass besitzt.