Essen. . Nach einer Studie werden lediglich drei Prozent der Täter ermittelt. Ein Experte klagt über geringe Tatortspuren. Den Fahndern gelinge es kaum noch, den Tätern auf die Schliche zu kommen: „Wir haben es mit Profis zu tun“.

Einbrecher gehen bei ihren Raubzügen kaum noch ein Risiko ein, weil in dieser Region die Strafverfolgung ihrer Taten fast immer scheitert. 87 Prozent der von der Polizei übermittelten Verdachtsfälle werden bereits von der Staatsanwaltschaft eingestellt – meist, weil die Straftat nicht nachweisbar ist.

Das hat zumindest der Essener Kriminologe und Kripo-Hauptkommissar Frank Kawelovski ermittelt. Er hat mehrere hundert Wohnungseinbrüche in den Bezirken Mülheim/Ruhr, Oberhausen und Wesel untersucht. „Nur drei Prozent der Täter werden tatsächlich angeklagt und vor Gericht verurteilt“, sagte er der WAZ. Damit ist die Quote deutlich schlechter als im Bundesschnitt. Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen, das derzeit im Auftrag von Kommunen den Einbruchs-Boom in Großstädten beleuchtet, stellt fest, bundesweit würden von 158 Tatverdächtigen aus 1000 untersuchten Einbruchsfällen 22 verurteilt.

Die Städte der Rhein-Ruhr-Region liegen, mit 300 bis 500 Fällen je 100.000 Einwohnern, zugleich an der Spitze der Einbruchs-Kriminalität in Deutschland.

Neuer professioneller Tätertyp

Ursachen für die Fahndungs-Flaute sieht Kawelovski zum einen in einem neuen professionellen Tätertypus, der kaum verwertbare Spuren hinterlasse – weder als Fingerabdrücke noch als DNA. Zum anderen schränkten gesetzliche Regeln den Fahnder-Spielraum ein. So müssten Daten bei einer Handy-Anmeldung nicht mehr geprüft werden: „Die reichen von Donald Duck bis ABCDE. Wir wissen nicht, wer wo rumläuft“. Eine von NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) berufene Kommission ist kürzlich zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen: Einbruchsdelikte in NRW stünden unter „zu geringem Fahndungsdruck“.

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Im Ruhrgebiet sind vor allem Mehrfamilienhäuser Ziel der Einbrecher, stellt Kawelovski fest. In Oberhausen wohnten Einbruchsopfer in nur 19 Prozent, in Mülheim in 23 Prozent der Fälle in Einfamilienhäusern. Im eher ländlichen Kreis Wesel waren es 48 Prozent. Weitere Ergebnisse: Schmuck, Bargeld und Uhren stehen oben auf der Beute-Liste. Und der überwiegende Teil der bandenmäßig organisierten Einbrecher, 68 Prozent, ist ausländischer Herkunft. Am Niederrhein und im Revier sollen 80 Einbrüche auf das Konto zweier Albaner gehen, die gefasst werden konnten.

Besonders fette Beute im Westen

Für die Polizei im Ruhrgebiet hat der Februar mit dem üblichen Wahnsinn begonnen. Einbrecher knacken 25 Wohnungen in Duisburg. In Essen tarnt sich ein Räuber als Wasserwerker, hält seinem Opfer ein Messer an den Hals und räumt die Wohnung leer. Einbrecherbanden suchen Bochum heim: In der Fahrenheit- und Brundelstraße und – ausgerechnet – „Auf dem Gericht“.

Westdeutschland ist Einbrecherland: Auf 100.000 Einwohner kommen in Dortmund 403, in Duisburg 338, in Essen 325 Wohnungseinbrüche pro Jahr – deutlich mehr als in Berlin (318) und Stuttgart (154). Der Bundesschnitt liegt bei 150 Fällen. Mehr noch: Innerhalb einer Jahresfrist ist die Zahl der Brüche in der Rhein-Ruhr-Region um bis zu 25 Prozent angestiegen. Die Aufklärungsquote bleibt extrem niedrig – sieben Prozent in Dortmund, 16 in Duisburg. Offiziell.

Stimmt nicht, sagt Frank Kawelovski: „Sie ist tatsächlich weit niedriger. Nur drei Prozent der Täter werden auch angeklagt und verurteilt“. Kawelovski ist Kriminologe, arbeitet als Hauptkommissar bei der Essener Kripo. Er hat in den Polizeibezirken Oberhausen, Mülheim und Wesel 303 Einbruchsfälle untersucht. Wie kommt es zu dieser Differenz? „Ein Fall gilt als aufgeklärt, wenn Sie eine Vermutung haben“, sagt er, „es reicht, wenn ein Zeuge einen Namen nennt und dieser Name bei den Ermittlungen wiederholt auftaucht.“ Geht so ein Fall zur Staatsanwaltschaft, „bricht viel weg“.

„Wir schwimmen nicht in Tatortspuren“

Die Lage ist in der Landesregierung und beim Landeskriminalamt erkannt. „Riegel vor“ heißt die Aktion, die NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) gestartet hat. Dort erfahren die Bürger – nicht ohne Erfolg -, wie man sich schützt: Durch Sicherheitsschlösser und Alarmanlagen. So bleiben 40 Prozent der Einbrüche im Versuchsstadium stecken.

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Waren die Täter aber einmal da, gelingt es den Fahndern kaum, ihnen auf die Schliche zu kommen. „Wir schwimmen nicht in Tatortspuren“, sagt Kawelovski. Nicht mal in jedem fünften der im westlichen Revier untersuchten Fälle konnten Fingerspuren gefunden werden. Und „bei gerade zwei bis drei Promille der Tatorte führen Fingerabdrücke oder DNA-Partikel zur Überführung der Spurenleger“. Das Spurenaufkommen habe sich verändert, so Kawelovski: „Wir haben es mit Profis zu tun, nicht mehr mit Junkies.“

Doch der Kriminalwissenschaftler sieht noch mehr Gründe für die Schwierigkeiten der Ermittler, so hohe Aufklärungsquoten wie bei anderen Delikten zu erreichen. Bei „normalen“ Einbrüchen ist es der Polizei untersagt, Telefone von Verdächtigen abzuhören. Melderechtliche Angaben bei der Handy-Anmeldung werden nicht mehr überprüft. Und letztlich bleiben Hehlerwege unbekannt, seit die Gebrauchtwarenverordnung liberalisiert wurde. „Früher war ein Händler von gebrauchten Waren verpflichtet, Namen und Personalausweisnummer zu notieren.“ Heute ist er es nicht mehr.