Washington. . Der Präsident hält eine Rede im Kongress – und der deutsche Sozialdemokrat Frank Walter Steinmeier hört begeistert zu. Denn Obamas Parolen könnten auch im SPD-Wahlprogramm stehen.
Frank-Walter Steinmeier ist viel zu sehr Ostwestfale, als dass er Genugtuung offensiv zur Schau stellen würde. Selbst wenn er politische Geistesverwandtschaft spürt. Als US-Präsident Barack Obama seine Rede zur „Lage der Nation“ beendet hatte, nahm der kurz zuvor angereiste SPD-Fraktionsvorsitzende im Haus des Gesandten der deutschen Botschaft in Washington einen kleinen Schluck aus dem Rotwein-Glas und bilanzierte das am Fernseher verfolgte Geschehen mit gewohnter Zurückhaltung: „Das ist schon eine anspruchsvolle Reformagenda, die Obama sich und den Amerikanern da verordnet hat.“
Dass sie in auffällig vielen Punkten sozialdemokratisch grundierte Töne zum Klingen brachte, mehrfach ausdrücklich auf Deutschland Bezug nahm, merkte man während der einstündigen Rede Obamas im Kongress immer dann, wenn sich Steinmeier mit anerkennend verzogenen Mundwinkeln zu seinen Mitzuhörern umdrehte und auf einem Handzettel Notizen machte.
„Die deutschen Kinder sind auf Arbeitsplatz vorbereitet“
Bei der Bildung verwies der Präsident mehrfach auf die Bedeutung von frühkindlicher Förderung und lobte explizit das deutsche System der dualen Ausbildung von Lehre und Berufsschule. Obama: „Die deutschen Kinder sind auf einen Arbeitsplatz vorbereitet, wenn sie die Oberstufe abschließen.“
Auch beim Thema Arbeitsmarkt hörte Steinmeier Vertrautes: wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit. „Lassen Sie uns heute erklären, dass im wohlhabendsten Land der Welt niemand, der den ganzen Tag arbeitet, in Armut leben soll“, rief Obama. „Lassen Sie uns den Mindestlohn im ganzen Land auf neun Dollar pro Stunde anheben.“
Höhere Steuern für Reiche
Wohlwollend registrierte der gescheiterte Kanzlerkandidat von 2009 Obamas Parole, bis circa 2030 die Energieverschwendung in Privathaushalten und Unternehmen zu halbieren. Höhere Steuern für Reiche und ein modernes Einwanderungsgesetz vertragen sich gemessen an Steinmeiers Mienenspiel ebenso mit sozialdemokratischen Vorstellungen wie dieser Obama-Satz: „Es ist unsere unvollendete Aufgabe sicherzustellen, dass diese Regierung im Auftrag der Vielen arbeitet und nicht nur der Wenigen.“
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Am meisten beeindruckte Obamas Bekenntnis zu schärferen Waffengesetzen im Lichte des Schulmassakers von Newtown. Der Gänsehaut-Augenblick hatte auch Steinmeier kurz gepackt. Dann kam der Ostwestfale durch. „Dass man sich den Saal vollsetzt mit Betroffenen, sie direkt anspricht, diese Inszenierung von Opfern wäre bei uns wohl nicht möglich“, sagte er und entschwand zum Interview. In Deutschland sei die Politik eben „nüchterner.“