Washington. Wenige Wochen nach seiner zweiten Vereidigung hält US-Präsident Barack Obama am Dienstagabend die traditionsreiche Rede zur Lage der Nation. Aus der Regierungszentrale sickerte in den vergangenen Tagen durch, dass Obamas neuer Chefredenschreiber beim Entwurf der Rede den Schwerpunkt auf “handfeste ökonomische Fragen“ gelegt hat.
Der Kolumnist der "Washington Post", George Will, beschrieb das traditionsreiche Ereignis einmal ironisch als den Versuch, alle erogenen Zonen des amerikanischen Volkskörpers auf einmal zu streicheln. Dienstagabend ist es wieder soweit: SOTU. "State of the Union". Die Rede zur Lage der Nation. Nie genießt ein amerikanischer Präsident zu Beginn einer Amtszeit mehr Aufmerksamkeit bei dem Bestreben, vor dem Parlament Rechenschaft abzulegen und einen Ausblick auf seine künftigen Schwerpunkte zu geben. Niemand darf ihn unterbrechen. 50 Millionen Menschen und mehr schauen am Fernseher zu. Am Ende klatschen alle Beifall.
Bevor Obama um 21 Uhr Ortszeit in Washington vor beiden Kammern des Kongresses ans Mikrofon treten wird, zeichnet sich ab, dass der Chef im Weißen Haus Volkes Stimme gehört hat. Nach einer repräsentativen Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Pew liegen die Themen "Wirtschaft", "Arbeitsplätze" und "Haushalts-Defizit" den Amerikanern mit Abstand am meisten am Herzen. "Einwanderung", "Waffengesetze" und "Klimawandel" dagegen, Themen, die Obama vor und nach der Amtseinführung bewusst nach vorne schieben ließ, rangierten in der Januar-Umfrage auf den Plätzen 17, 18 und 21.
Schwerpunkt der Rede: "handfeste ökonomische Fragen"
Eine neue Initiative zur Reduzierung von Atomwaffen, von der die "New York Times" erfahren haben will, spielt im Bewusstsein der Bürger bisher überhaupt keine Rolle. Aus der Regierungszentrale sickerte in den vergangenen Tagen durch, dass Obamas neuer Chefredenschreiber Cody Keenan beim Entwurf der Rede den Schwerpunkt auf "handfeste ökonomische Fragen" gelegt hat. Weil die Wettbewerbsfähigkeit Amerikas, der Abbau der Staatsverschuldung, die Steuergerechtigkeit und die Frage, wie mehr Jobs geschaffen werden können, strittige Dauerthemen in Washington zwischen Republikanern und Demokraten sind, ist die Spannung groß: "Hat der Präsident wirklich Neuigkeiten zu bieten?", fragt skeptisch die konservative "Washington Times".
USA feiern Präsident Obama
Weil Obamas Zustimmungswerte in Umfragen bei weit über 50 Prozent liegen, die des unter Blockadeverdacht stehenden Kongress dagegen unter 20, wird vermutet, dass der Präsident aggressiver und dominanter als früher auftreten wird. Der Konter ist bereits programmiert. Für die Republikaner wird Senator Marco Rubio, Hoffnungsträger für die Wahl 2016, die Gegenrede halten