Berlin. . Der Rücktritt von Bildungsministerin Annette Schavan trifft die Kanzlerin offensichtlich hart - Schavan galt als eine der engsten Vertrauten Merkels. Bei anderen Personalentscheidungen im Kabinett tat sich die Regierungschefin weniger schwer. Ein Überblick.
So viel Lob war selten. Mit bewegenden Worten hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Rücktritt von Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) kommentiert. Für Merkel ist es persönlich sicherlich der bitterste Wechsel am Kabinettstisch, wenngleich nicht der erste in dieser Legislaturperiode. Ein Überblick:
Franz Josef Jung (CDU-Mann aus Hessen): Erlebt ein 33-Tage-Intermezzo als Arbeitsminister. Stolpert über das Informationschaos um den Luftangriff auf einen Tanklaster in Afghanistan während seiner Zeit als Verteidigungsminister. Am 30. November 2009 ist für Jung Zapfenstreich am schwarz-gelben Kabinettstisch. Hält bis heute den zweifelhaften Rekord des schnellsten Rücktritts in der Geschichte der deutschen Bundesminister. Die Führung im Arbeitsministerium übernimmt Familienministerin Ursula von der Leyen. Als neue Ressortchefin folgt Kristina Schröder, damals noch Köhler. Sie ist 32 Jahre jung, Kohl-Fan und – nicht ganz unwichtig für den neuen Posten - Hessin. Bringt nicht nur mit ihrem Schlingerkurs zur Frauenquote viele gegen sich auf. Wird regelmäßig von Amtsvorgängerin von der Leyen gepiesackt, die die Quote strikt befürwortet.
Karl-Theodor zu Guttenberg: Promovierter CSU-Überflieger, jüngster Verteidigungsminister seit Gründung der Bundesrepublik mit Hang zur perfekten Inszenierung, aber auch zur eilig zusammengeschusterten Dissertation. Streitet zunächst alle Plagiatsvorwürfe gegenüber seiner Doktorarbeit entschieden ab, wird später aber eines Besseren belehrt. Erklärt am 1. März 2011 seinen Rücktritt. Nachfolger wird Unions-Allzweckwaffe Thomas de Maiziere, der schließlich die Bundeswehrreform durchzieht. Dafür springt der bisherige CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter-Friedrich beim Innenressort in die Bresche. Dessen Begeisterung soll sich in Grenzen gehalten haben. Sorgt gleich zum Start für Schlagzeilen, indem er sich gegen die „islamische Leitkultur“ in Deutschland ausspricht. Widmet sich vor allem dem Kampf gegen Rechtsextremismus.
Rainer Brüderle (FDP): Muss sich 2011 noch nicht mit Sexismus-Vorwürfen herumplagen, sondern genießt seinen lang ersehnten Traumjob: den des Wirtschaftsministers. Hat am Ende mehrere Probleme: eine FDP in der Krise, einen abgesägten Parteichef Guido Westerwelle und einen Nachfolger Philipp Rösler. Der findet das Wirtschaftsministerium verlockernder als das undankbare Gesundheitsministerium, wo man es bekanntlich niemandem so ganz rechtmachen kann und sich mit einer widerborstigen CSU herumplagen muss. Siehe Kopfpauschale zur Finanzierung der Krankenkassen. Brüderle muss im Mai 2011 seinen Posten für Rösler räumen, der mit der stabilen Konjunktur und sinkenden Arbeitslosenzahlen punkten will. Brüderle bekommt als Trostpflaster den Fraktionsvorsitz von Birgit Homburger. An Röslers Stelle rückt Staatsekretär Daniel Bahr.
Norbert Röttgen: Gilt als „Muttis Klügster“ und potenzieller Merkel-Kronprinz. Will Ministerpräsident in NRW werden, verspürt aber allzu offensichtlich keinen gesteigerten Drang, im Falle einer Niederlage den Oppositionsführer zu spielen. Kassiert dafür am 13. Mai 2012 eine verheerende Wahlschlappe an Rhein und Ruhr und zieht Merkels Groll auf sich. Wird wenige Tage später aus dem Amt geworfen – als erster Minister in der bis dato siebenjährigen Amtszeit der Kanzlerin. Merkels Statement zur Entlassung – eine verbale Ohrfeige: „Ich habe heute Vormittag mit dem Bundespräsidenten gesprochen, und ich habe ihm gemäß Artikel 64 des Grundgesetzes vorgeschlagen, Norbert Röttgen von seinen Aufgaben als Bundesumweltminister zu entbinden, um so in diesem Amt einen personellen Neuanfang möglich zu machen.“ Das Lob fällt umso dürftiger aus: „Norbert Röttgen hat als Umweltminister an der Schaffung der Grundlagen für diese Energiewende entscheidend mitgewirkt. Für diese Arbeit danke ich ihm. Ich danke ihm genauso für sein großes klimapolitisches Engagement, gerade auch im internationalen Bereich.“
Für den geschassten Umweltminister rückt der Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier (CDU), nach. Der Twitter-Fan und „wandelnde Vermittlungsausschuss“ soll fortan die Energiewende stemmen und den Weg für die Endlagersuche bereiten. Hat wie Amtvorgänger Röttgen mit Wirtschaftsminister Rösler seine Probleme – sei bei der EEG-Reform oder dem CO2-Zerfitikatehandel.
Annette Schavan (CDU): Profilierte Bildungsexpertin, Merkel-Vertraute mit unerschütterlicher Loyalität zur Kanzlerin. Soll bei ihrer Doktorarbeit abgeschrieben haben. Wehrt sich vehement gegen Plagiatsvorwürfe, räumt nur Flüchtigkeitsfehler ein und will gegen die Aberkennung ihres Doktortitels klagen. Zieht am Ende selbst die Reißleine und gibt ihr Amt auf. Für Merkel der bitterste Rücktritt. Würdigt Schavan mit Worten, von denen Röttgen wohl nicht einmal hätte träumen können: „Sehr schweren Herzens nur habe ich den Rücktritt angenommen, weil mit Annette Schavan eine der anerkanntesten und profiliertesten Bildungs- und Forschungspolitikerinnen unseres Landes, im Grunde die anerkannteste und profilierteste Bildungspolitikerin unseres Landes, die Bundesregierung verlassen wird.“ Merkels Worte zum Abschied: „Ich danke ihr von ganzem Herzen für alles, was sie bislang in ihrem beruflichen Leben für unser Land, für seine Bildung, seine Wissenschaft und Forschung geleistet hat.“
Nachfolgerin wird Johanna Wanka. Unumstrittene Bildungsexpertin, die zunächst für acht Monate in die Bresche springt.
Ende der Personalrochaden im Kabinett. Jedenfalls vorerst!