Essen. . Nicht nur Bundesbildungsministerin Annette Schavan und die Uni Düsseldorf wurden im Zuge der Plagiatsaffäre beschädigt, sondern das Wissenschaftssystem insgesamt. Auch durch die verfrühte Parteinahme der großen Forschungsorganisationen für die Ministerin – eine Analyse.
Einflussreiche Stimmen hatten sich zu Wort gemeldet, um Annette Schavan beizuspringen. Politiker, Professoren, ehemalige und amtierende Wissenschaftsmanager kritisierten die Verfahrensführung der Uni Düsseldorf. Sogar die mächtige Allianz, der Zusammenschluss der großen Wissenschaftsorganisationen – darunter die Hochschulrektorenkonferenz, die Max-Planck-Gesellschaft, die Deutsche Forschungsgemeinschaft – veröffentlichte am 18. Januar eine Erklärung.
Darin vermittelte sie den Eindruck, die prüfende Uni habe gegen Standards der Begutachtung wie das Fachgutachterprinzip verstoßen.
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Doch ging es bei Schavans Doktorarbeit nie um inhaltliche Schwächen, allein ihre Zitierweise wurde bemängelt. Der unterschwellige Vorwurf, eine erziehungs-wissenschaftliche Arbeit könne nur von einem Erziehungswissenschaftler beurteilt werden und nicht, wie in diesem Fall, von einem Judaisten, ist daher nicht zutreffend. Für die inhaltliche Bewertung bedarf es Fachwissens, nicht aber für den Nachweis eines Plagiats, denn dabei geht es um wissenschaftliche Standards, und die gelten fachübergreifend.
Loyalität gegenüber den Geldtöpfen?
Was schwerer wiegt: Die Allianz hat für die Ministerin Partei ergriffen, aus deren Ressort sie Jahr für Jahr Milliarden Euro Fördergelder erhält. Es stellt sich die Frage, ob ihre Loyalität gegenüber den Geldtöpfen des Bundes größer ist als zur vielbeschworenen wissenschaftlichen Redlichkeit. Einzig der deutsche Hochschulverband, die Berufsvertretung der Professoren, sprang der Uni bei, wies die Kritik der Allianz als unangemessen zurück und forderte gestern den Rücktritt der Ministerin.
Die Allianz schweigt
Die Allianz hingegen schwieg diesmal. Der Entzug des Doktortitels hat die Wissenschaftslenker offenbar düpiert und ihr Eintreten für Schavan als taktisch motivierten Fehlschuss entlarvt, zumal sie sich in andere Plagiatsverfahren nicht eingemischt hat, wie der Bonner Wissenschaftsrechtler Wolfgang Löwer anmerkt, obwohl nach Ansicht des Plagiatsexperten die Sachlichkeit des Vorgehens in Düsseldorf nie gefährdet gewesen sei. Löwer bündig: „Die Wissenschaftsorganisationen sind von den Zuwendungen des Ministeriums abhängig.“
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So hat der Fall Schavan eine Bedeutung gewonnen, die weit über eine Plagiats-Affäre hinaus geht. Beschädigt wurden dabei nicht nur die Ministerin und die Universität, sondern der gesamte Wissenschaftsbetrieb. Auch Löwer befürchtet, dass das Vertrauen in die Redlichkeit der Wissenschaft insgesamt gelitten hat. „Das kann uns nicht einerlei sein.“