Düsseldorf. Bildungsministerin Annette Schavan ist keine “Frau Doktor“ mehr: Die Universität hat der CDU-Politikerin ihren Titel entzogen. Der Fakultätsrat habe im Plagiatsverfahren für die Aberkennung gestimmt, teilte der Ratsvorsitzende, Professor Bruno Bleckmann, am Dienstagabend mit.
Wie oft mag sich Annette Schavan (CDU) schon über jene Worte geärgert haben. Vor zwei Jahren attackierte die Bildungs-ministerin den Kabinettskollegen Karl-Theodor zu Guttenberg für dessen abgekupferte Doktorarbeit. "Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat, schäme ich mich nicht nur heimlich", knöpfte sie sich den CSU-Star vor. Wenig später verpuffte erst dessen Stern am Kabinettstisch und dann sein Doktortitel. Schavan selbst konnte damals noch nicht ahnen, dass ihr der Satz einmal wie ein Klotz auf die eigenen Füße fallen würde.
Spätestens seit Dienstag dürfte die Merkel-Vertraute allen Grund haben, sich erneut zu schämen. Dieses Mal in eigener Sache, nachdem der Fakultätsrat der Universität Düsseldorf der 57-Jährigen am Dienstag den Doktortitel entzogen hat. Für die Bildungsministerin ist das nicht nur peinlich, sondern der politische Gau.
Schavan will gegen die Aberkennung des Titels klagen
Schavan will zwar vor dem Verwaltungsgericht gegen die Aberkennung ihres Titels klagen. Dennoch ist es schwer vorstellbar, dass sich die studierte Theologin als Ministerin im Amt halten kann. Sollte sie es versuchen, droht ihr die volle Breitseite durch die Opposition. Die hat bereits im Vorfeld klargemacht, dass sie Schavan ohne Doktorhut für untragbar hält. Es dürfte auch nur eine Frage der Zeit sein, bis Kanzlerin Angela Merkel (CDU) von ihrer Bildungsministerin abrückt. Obwohl sie Schavan bislang öffentlich gestärkt hat. Doch im Wahlkampf kann die CDU-Chefin keinen politischen Pflegefall brauchen, der Stimmen kosten könnte.
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Bei einem Schavan-Rücktritt könnte Niedersachsens Noch-Ministerpräsident David McAllister ins Kabinett rücken. Während Merkel Wahlverlierer - siehe Jürgen Rüttgers, Stefan Mappus oder Norbert Röttgen - mitunter unsentimental fallen lässt, scheint dies bei McAllister anders zu sein. Der 42-Jährige gilt als einer der wenigen Hoffnungsträger in einer personell ausgebluteten CDU. Außerdem wird ihm Interesse am Wechsel nach Berlin nachgesagt. Als Bildungsminister hätte McAllister einen Platz am Kabinettstisch und im Herbst bessere Chancen auf einen Verbleib, sofern es für Schwarz-Gelb reicht oder zur Großen Koalition kommt. Denkbar wäre außerdem, dass Merkel das Bildungsministerium bis zur Wahl an das Kanzleramt andockt. Theoretisch käme auch Schavans Staatssekretär Thomas Rachel (CDU) als Übergangsminister in Betracht.
Tragweite von Schavans Zitierfehlern ist umstritten
Die Affäre um Schavans Doktorarbeit begann Ende April 2012, als ein anonymer Blogger im Internet den Plagiatsverdacht erhoben hatte. Die Promotionskommission der Düsseldorfer Uni begann daraufhin, deren Dissertation "Person und Gewissen" aus dem Jahr 1980 zu prüfen. Nach einem Zwischenbericht vom September soll Schavan an vielen Stellen abgekupfert haben. Sie selbst hat eine Täuschungsabsicht immer zurückgewiesen und nur "Flüchtigkeitsfehler" eingeräumt. "Der Vorwurf der Täuschung hat mich bis ins Mark getroffen", bekannte Schavan vor wenigen Wochen in einem Interview. "Hier geht es ja nicht um meinen Doktortitel, sondern um meine Integrität."
In der Wissenschaft ist die Tragweite von Schavans Zitierfehlern umstritten. Viele Professoren hatten ihr den Rücken gestärkt, etwa ihr Doktorvater Gerhard Wehle. Andere, wie der Berliner Plagiatsexperte Gerhard Dannemann, sahen "gravierende Verstöße gegen die Zitierregeln und den Umgang mit Quellen".
Schavan kämpft nicht nur um ihren Doktor, sondern auch um ihre Karriere
Bis zuletzt hat Schavan bekundet, dass sie um ihren Doktortitel und ihre Karriere kämpfen will. Erst Vor kurzem hat sie sich von ihrem Ulmer Kreisverband zur Spitzenkandidatin für die Wahl küren lassen. Sollte sie nun zurücktreten, wäre sie dennoch die Bundesbildungsministerin mit der längsten Amtszeit. Ihre Bilanz nach gut sieben Jahren ist durchwachsen. Einerseits hat Schavan hat das Schulbild der Union entstaubt, Exzellenzuniversitäten gekürt und eine Grundgesetzänderung angestoßen, die den Hochschulen dauerhaft mehr Geld vom Bund verschaffen soll. Andererseits ist sie nie den Vorwurf ganz losgeworden, sich eher um Spitzenforschung als die Studenten zu kümmern. Dazu hinkt das nationale Stipendienprogramm für begabte Studenten seinen Zielen hinterher.
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Schavans Nachfolger müsste sich auf triste Monate bis zur Wahl einstellen. Das letzte große Projekt wäre die Lockerung des Kooperationsverbots. Dass es dazu angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat kommt, ist sehr unwahrscheinlich. Ohnehin hätte der Minister fast keine Fürsprecher. Denn die CDU hat keinen Bildungsminister mehr in den Ländern. In Sachsen ist die Ressortchefin parteilos, in Bayern sitzt ein CSU-Mann.
In einer Gruppe mit Guttenberg, Koch-Mehrin und Chatzimarkakis
Freilich wäre dies angenehmer als das, was Schavan blüht. Sollte es beim aberkannten Doktortitel bleiben, würde sie sich in die Gruppe plagiatsüberführter Ex-Promovierter um Karl-Theodor zu Guttenberg, Silvana Koch-Mehrin oder Jorgo Chatzimarkakis einreihen. Eine zweifelhafte "Ehre", über die sie sich wohl nicht nur heimlich schämen würde.