Essen. Die Fälle Philipp Mißfelder und Jens Spahn (beide CDU) beweisen: Wer sich als junger Politiker mit den Senioren anlegt, muss sich auf viel Häme und Anfeindungen gefasst machen. Nicht selten ist auch seine Karriere in Gefahr.

Wie das ist, sich mit den Alten anzulegen, das hat einer zu spüren bekommen wie kaum ein anderer. Jens Spahn, heute 29 Jahre, ein echter politischer Senkrechtstarter. 2002 zog Spahn als jüngster Abgeordneter für die CDU in den Bundestag ein, und wurde schon bald als Gesundheitsexperte geschätzt. Stolz war seine Partei, noch stolzer waren die Menschen in seinem Wahlkreis Borken. Bis, ja, bis Spahn sich mit einem mächtigen Gegner anlegte: den Senioren im Land und in der eigenen Partei. „Rotzlöffel! Hosenscheißer!” schimpften sie, und manch einer mühte sich, ihm die Karriere zu verbauen.

Kritik an Rentenerhöhung

Die Liste der Beschimpfungen, die Spahn im Frühjahr 2008 erreichten, war tatsächlich lang. Leonhard Kuckart, Chef der Senioren-Union in NRW, wollte ihn „unangespitzt in den Boden rammen”. Und in Borken kündigten die CDU-Senioren an, seine Wiederwahl zu verhindern. Jung-spund Spahn hatte Unerhörtes getan: Er hatte die Rentenerhöhung der Bundesregierung um 1,1 Prozent kritisiert.

Doch Spahn, den jungen Bundestagsabgeordneten, gibt es noch und er hat sich auch nicht einschüchtern lassen. Erst kürzlich kritisierte er im Magazin Spiegel, dass in der Rentenpolitik die Interessen junger Menschen und künftiger Generationen nicht ausreichend berücksichtigt würden. Genau so argumentiert auch Victoria Tiemann, die stellvertretende Landesvorsitzende der Jusos in Nordrhein-Westfalen: „Wir gönnen den Rentnern jede Rentenerhöhung, keine Frage! Aber für uns ist es wichtiger, dass die Rente auch langfristig gesichert ist. Sie muss reformiert werden, sonst erhalten wir später nur noch ein Taschengeld!”

"Wir sind aufeinander angewiesen"

„Die Macht der Alten ist schon sehr stark!”, gibt auch Leonhard Kuckart, der Vorsitzende der Senioren-CDU in Nordrhein-Westfalen, zu. Die meisten Senioren seien sich dieser Macht aber gar nicht bewusst. Er bedauere ohnehin, dass diese Diskussion Alt gegen Jung überhaupt begonnen worden sei. „Das kann kein gutes Ende nehmen. Wir sind aufeinander angewiesen”, sagt Kuckart. Doch bei einem, bei Jens Spahn, bleibt Kuckart bis heute unversöhnlich: „Spahn hat nichts gelernt! Ich bin damals hingefahren, ich, der Ältere, zu einem Gespräch in Berlin. Es hat nichts gefruchtet. Er schadet der CDU!”

Auch Philipp Mißfelder (29), der Vorsitzende der Jungen Union, hat den Zorn der Alten am eigenen Leib erfahren. Vor sechs Jahren hatte er provokant gefragt, ob 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen sollten. Die Senioren tobten, Mißfelder wurde beleidigt und bedroht. „Ja. Die Macht der Alten spielt eine Rolle”, bekennt Mißfelder heute. „Ich habe es zu spüren bekommen.”

Dass Wahlgeschenke einen „Aufstand der Alten” verhindern können, hält der Kölner Politologe Achim Goerres für einen Irrglauben der Politik. „Entscheidungen in der Renten- oder Gesundheitspolitik beeinflussen nicht unbedingt das Wahlverhalten”, glaubt er. „Rentner lassen sich viel weniger von eigenen Interessen leiten oder mit Wahlgeschenken ködern, als die Parteien es glauben”, so Goerres.

Die Grünen profitieren kaum

Wer als Rentner wo sein Kreuz mache, sagt Goerres, hänge stärker vom Zeitpunkt ab, an dem Menschen erstmals gewählt hätten. „Für die heutige Rentner-Generation lag er in der Adenauer-Ära. Bis heute wählt diese Gruppe verstärkt die Union, während die Grünen kaum von Stimmen profitieren”, sagt Goerres. Das aber ändere sich. „Die Generation, die in den 70er-Jahren als Erstwähler Willy Brandt wählte und jetzt ins Rentenalter vorrückt, wird der SPD mehr Senioren-Stimmen bescheren.” Und auch die Grünen werden bekanntlich grau.