Essen. Die Macht der Alten lässt die Politik erzittern. Jeder Zweite, der bei der Bundestagswahl im September seine Stimme abgeben wird, ist jenseits der 50, jeder dritte Wahlberechtigte über 60 Jahre alt. Nie zuvor war der Einfluss der älteren Wähler so groß.

„Aus Angst davor, von ihnen durch Liebesentzug abgestraft zu werden, entscheiden die Politiker sogar anders als sie es für richtig halten. Ein Beispiel dafür ist das Aussetzen der Rentenformel”, sagt der Mainzer Politologe Jürgen Falter.

Dass die Volksparteien sich mit Wahlgeschenken und Rücksichtnahmen die Gunst der 20 Millionen Rentner erkaufen wollen - womöglich zu Lasten der jüngeren Generation, davon ist auch der Kölner Politologe Achim Goerres überzeugt: „Alle Parteien sind bemüht, den Älteren nicht weh zu tun”. Vor allem in der Gesundheits- und Rentenpolitik herrsche der Glaube, dass eine rentnerfreundliche Politik Nichtbestrafung garantiere. Wie auch sein Kollege Falter nennt Goerres das jüngste Versprechen der Bundesregierung, die Renten nicht zu kürzen: „Für mich ist das der Versuch, eine große Wählergruppe ruhig zu halten”.

Diese Rücksichtnahme auf die Senioren schlage sich längst in Parteiprogrammen nieder und, so Jürgen Falter: „Die Rentner sind gut organisiert, eine relativ mächtige Gruppe. Dabei steht uns die demographische Wende noch bevor. 2015 wird die Hälfte aller Wähler über 60 sein”.

"Ohne die Alten ist auf Dauer keine Wahl mehr zu gewinnen"

Eine Klientel also, um die schon heute erbittert gekämpft wird. Zumal ältere Menschen häufiger wählen gehen als jüngere und bislang zumeist konservativ stimmen. Für beide Volksparteien sind die Alten die wichtigste Wählergruppe. 77 Prozent der Stimmen, die Union und SPD bei der Bundestagswahl 2005 errangen, stammten von über 60-Jährigen. „Ohne die Alten ist auf Dauer keine Wahl mehr zu gewinnen”, sagt Otto Wulff, Chef der CDU-Senioren-Union.

Der Einfluss der Alten wächst. Bei der Bundestagswahl treten vier Rentnerparteien an. Aber auch die anderen Parteien vergreisen zunehmend. 2009 ist die Hälfte der CDU-Mitglieder über 60 Jahre alt. Nur geringfügig niedriger ist dieser Anteil bei der SPD. In der SPD wird jeder Genosse, der seinen 60. Geburtstag feiert, automatisch Mitglied in der „AG 60 plus”, der stärksten Interessengruppe der Partei.