Brüssel. . Oberbürgermeister aus dem Revier warben gemeinsam bei der Europäischen Union für die Metropole Ruhr. Die Region mit fünf Millionen Einwohnern ist dort noch eine unbekannte Größe. Es geht um mehrere Hundert Millionen Euro Fördergeld.
In Brüssel bläst den Oberbürgermeistern des Ruhrgebiets ein eisiger Wind ins Gesicht. Doch die Stadtoberhäupter sind trotz des Winterwetters sichtlich gut gelaunt. Bei ihrer ersten gemeinsamen Reise in die EU-Hauptstadt haben sie eines erneut gemerkt: Gemeinsam sind sie stärker – auch in Europa.
Ihm sei etwas deutlich geworden, sagt Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) am Mittwoch nach Treffen mit Vertretern der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments. „Wenn wir Einfluss haben wollen auf das, was auf EU-Ebene entschieden wird, müssen wir uns frühzeitig kümmern.“ Diese Meinung teilen seine Revier-Kollegen.
„Bisher haben wir uns nur mit den fertigen EU-Gesetzesvorschlägen beschäftigt“, sagt Baranowski. Oder wenn diese schon im EU-Parlament verhandelt worden seien. „Uns wurde klar, dass wir in Brüssel viel früher deutlich machen müssen, was uns wichtig ist.“
Dem kann EU-Parlamentarier Michael Theurer (FDP) nur beipflichten. „Europapolitik ist Innenpolitik – da muss die kommunale Ebene vernünftig vertreten sein“, sagt der einstige Stadtrat von Horb (Baden-Württemberg). Andere Regionen seien schon in Brüssel aktiv. „Die Region Stuttgart zum Beispiel hat eine eigene Repräsentanz.“
Der RVR strebt nach mehr Macht
Das Ruhrgebiet mit seinen mehr als fünf Millionen Einwohnern ist davon noch weit entfernt. Dabei sei es „einzigartig in Europa“, sagt die EU-Abgeordnete Renate Sommer (CDU). „Das Ruhrgebiet ist die größte Industrieregion Europas.“
Immerhin hat der in Essen ansässige Regionalverband Ruhr (RVR) seit anderthalb Jahren ein Europa-Referat. Der Verband hat das Ziel, die Entwicklung des Reviers voranzubringen. Die Städte finanzieren als Eigner den RVR. „Der Verband darf sich laut Gesetz nicht um Europa kümmern“, bedauert RVR-Chefin Karola Geiß-Netthöfel. „Aber wir wollen mehr kommunale Zusammenarbeit organisieren dürfen.“ Sie hofft, dass das bald möglich wird. Die Landesregierung habe vereinbart, das entsprechende Gesetz zu ändern. Der RVR-Wunsch stößt auf Zustimmung. „Vom Rand des Ruhrgebiets her haben wir einen extrem kritischen Blick auf den RVR, aber er ist eine gute kommunale Plattform“, sagt Hagens Oberbürgermeister Jörg Dehm (CDU). Dass ein Gesetz eine stärkere Zusammenarbeit verbiete, sei „nicht in Ordnung“.
Sorgen sich die Stadthäupter, dass ein erstarkter Regionalverband ihnen Macht wegschnappt? „Nein“, heißt es. Hernes OB Horst Schiereck (SPD) begründet das so; „Der Verband kann uns nichts wegnehmen, wir sind ja die Besitzer.“
Gelsenkirchens OB Baranowski findet, der RVR könne die Interessen der Städte bündeln, auch bei EU-Themen. „Wir müssen einen Ansprechpartner vor Ort haben“, sagt er mit Blick auf Brüssel. Den Städten sollte es per Gesetz erlaubt werden, den RVR damit zu beauftragen. Baranowski nennt noch ein Argument: Die Revierstädte kennen derzeit nicht alle EU-Töpfe, aus denen sie Geld erhalten könnten. Dabei sind diese Fördergelder, betont EU-Parlamentarierin Sommer, „immens wichtig“ für das klamme Ruhrgebiet. In den vorigen fünf Jahren bekam das Revier nach RVR-Angaben rund 542 Millionen Euro aus diversen EU-Töpfen.
„Weder der Landschaftspark Nord in Duisburg noch der Gasometer in Oberhausen oder Zollverein in Essen hätten ohne Geld aus dem EU-Haushalt erhalten werden können“, sagt der EU-Abgeordnete Jens Geier (SPD). „Zudem erhält jedes Arbeitsmarktinstrument des Landes NRW, mit dem die Arbeitslosigkeit im Ruhrgebiet bekämpft wird, Geld aus dem EU-Sozialfonds.“ Es gibt also gute Gründe für die OBs, in Brüssel für das Revier zu werben. Hernes OB Schiereck: „Wir müssen mindestens einmal im Jahr hier hin fahren und präsent sein.“ Und zwar gemeinsam.