Essen/Bochum. . Die Großindustrie im Ruhrgebiet verliert als Arbeitgeber immer weiter an Bedeutung. Kleine und mittlere Betriebe dominieren immer mehr die Wirtschaft. Die Folge: Das Revier hat seine Rolle als industrielles Herz Deutschlands abgegeben.

Das Ruhrgebiet ist nicht länger das industrielle Herz Deutschlands. Stuttgart, das Rhein-Neckar-Gebiet und das Dreieck Hannover/Braunschweig/Wolfsburg haben inzwischen deutlich höhere Beschäftigten-Anteile in der Industrie als die Metropole Ruhr. Zu diesem Ergebnis kommen die Revier-Wirtschaftsförderer.

In den 53 Städten, die zur Metropole Ruhr gehören, gab es zum Stichtag im Juni 2011 noch 287.291 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die im industriellen Kern tätig waren. Das entspricht einem Anteil von 18,4 Prozent, der unter dem NRW-Schnitt von 19,1 Prozent liegt. Rasant stieg dagegen der Beschäftigten-Anteil in der Gesundheitsbranche an, ebenso in der Energie- und Abfallwirtschaft. Ein weiterer Trend: Das Revier ist laut den Wirtschaftsförderern mittelständischer und damit unabhängiger von der Großindustrie geworden.

Zahl der Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor rasant gestiegen

Der Mittelstand wächst, das Ruhrgebiet ist längst nicht mehr so abhängig von der Großindustrie wie früher. „Wenn Thyssen-Krupp hustet, bekommt das Revier keinen Schnupfen mehr“, sagte Thomas Westphal, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr GmbH, bei der Vorlage des Wirtschaftsberichts Ruhr 2012.

Rasant stieg dagegen die Zahl der Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor, vor allem in der Gesundheitswirtschaft: Im Ruhrgebiet arbeiten in dieser Branche 260 927 Menschen – 16,7 Prozent aller Beschäftigten. Das Revier hat damit in der Gesundheitswirtschaft den Bund (15,2 Prozent) und NRW (15,3 Prozent) klar überholt. Auch im Leitmarkt Energie, Umwelt und Abfallwirtschaft hat das Ruhrgebiet mit einem Beschäftigten-Anteil von 6,7 Prozent deutlich die Nase vorn (Bund: 3,6 Prozent, NRW: 3,9 Prozent).

Thomas Westphal, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr GmbH.
Thomas Westphal, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr GmbH. © WAZ FotoPool

Gesundheitsbranche in Bochum größter Arbeitgeber

„Die Region ist nicht mehr allein durch Großunternehmen geprägt“, sagt Wirtschaftsförderer Westphal. „Die Ruhrgebietswirtschaft ist unabhängiger und mittelständischer geworden.“ Soll heißen: Die aktuelle Krise des Stahl- und Technologiekonzerns Thyssen-Krupp zwingt das Revier ebenso wenig sofort in die Knie wie die von Opel angekündigte Aufgabe der Autoproduktion in Bochum nach 2016. Westphal: „Mit 17 Prozent ist die Gesundheitsbranche in Bochum der größte Arbeitgeber.“ Aber bestehend aus vielen kleinen und mittelgroßen Unternehmen und nicht wie bei Opel aus einem einzigen Arbeitgeber.

Bochum ist in Sachen Strukturwandel dem Rest des Ruhrgebiets unfreiwillig ein Stück voraus. Kohle und Stahl haben sich hier früher verabschiedet als anderswo, Nokia zog weiter, nun will Opel dichtmachen. Jedes Mal, wenn so etwas passiert, schießt die Arbeitslosenzahl in die Höhe. Aber: Unterm Strich liegt die Arbeitslosenquote von 10,5 Prozent deutlich unter denen der großen Nachbarstädte. Sie ist auch wieder niedriger als vor dem Wegzug von Nokia 2008.

Optimismus der Wirtschaftsförderer

„Bochum ist ein Tausendfüßler geworden, eine Mittelstandsstadt“, sagt Heinz-Martin Dirks, Chef der örtlichen Wirtschaftsförderung. „Wenn ein Mittelständler schließt, kommt eine neuer nach oder zwei. Bei Konzernen ist das anders.“

Nun ist Optimismus der Job von Wirtschaftsförderern. Die Statistik scheint sie zu bestätigen, die Zahl kleiner und mittlerer Betriebe wächst: 761.000 sind es aktuell in NRW laut Institut für Mittelstandsforschung, daneben gibt es nur 3000 Großunternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten. Aber: Sie beschäftigen vier von zehn Arbeitnehmern (42,2 Prozent). Heißt: Wenn von den Großen einer zumacht oder wegzieht, werden tausende Menschen arbeitslos. Und so breit ist der Mittelstand noch nicht, sie alle auf einmal aufzufangen.