Essen. Weil nur noch etwa 40 Prozent der Wähler Stammwähler sind, werden die Vorhersagen von Meinungsforschern immer schwieriger. Oft fällt die Entscheidung, zur Wahl zu gehen - und wem man seine Stimme gibt - erst kurz vor dem Termin. Wie risikoreich eine strategische Wahl ist, zeigt das Beispiel Niedersachsen.

Mehr 100.000 Stimmen von CDU-Anhängern wanderten in Niedersachsen zur zuvor in Umfragen schwächelnden FDP. Die Strategie dahinter ist offensichtlich: Die Liberalen sollten über die Fünf-Prozent-Hürde gehievt, die schwarz-gelbe Regierung gestützt werden. „Der Bürger nutzt seine Stimme mittlerweile bewusster, will sie nicht verschenken. Maximal 40 Prozent gehören noch zu den Stammwählern“, sagte Klaus Schubert, Politikwissenschaftler an der Uni Münster. Deswegen sei der Begriff „Leihstimmen“ nicht zutreffend. Die Entscheidung zur Wahl zu gehen und wem man seine Stimme gibt, falle immer häufiger erst kurz vor dem Termin.

Das macht es Meinungsforschern nicht einfacher: „Um dieses Wahlverhalten vorherzusagen, müsste man die Wähler bis Samstag vor der Wahl befragen“, sagte Forsa-Chef Manfred Güllner der WAZ Mediengruppe. Für die Demokratie sei es aus Sicht von Klaus Schubert jedoch gut, wenn Wähler sich im Vorfeld Gedanken machen, anstatt „einfach ohne Überlegung das Kreuzchen wie immer“ zu setzen.

Dass eine strategische Wahl risikoreich ist und nicht immer zum gewünschten Resultat führt, hat das Beispiel Niedersachsen gezeigt. Die CDU verlor zu viele Stimmenanteile an die FDP, so dass beide aus der Regierung flogen. In der Zukunft sieht Klaus Schubert dieses Problem auch eher im bürgerlichen Lager als bei Rot-Grün. Dort bestehe weniger Notwendigkeit, einen potenziellen Koalitionspartner über die Fünf-Prozent-Marke zu heben.