Berlin. . Die Zweitstimmenkampagne bringt den Liberalen in Niedersachsen ein unerwartet gutes Ergebnis. Parteichef Röslers Kritiker geben sich kleinlaut.

Noch vor wenigen Tagen hätten sie FDP-Chef Philipp Rösler am liebsten vom Hofe gejagt. Doch nun machen Fraktionschef Rainer Brüderle und Entwicklungsminister Dirk Niebel gute Miene zum bösen Spiel. Artig spenden sie dem obersten Liberalen Beifall, während sich dieser auf der Bühne mit „Philipp, Philipp“-Rufen von der Basis feiern lässt.

Ja, mit rund zehn Prozent der Stimmen bei der Niedersachsen-Wahl haben wohl nicht einmal die kühnsten FDP-Mitglieder nach dem Theater der vergangenen Wochen gerechnet. Lauter Jubel brandet in der Parteizentrale in Berlin auf, als Punkt 18 Uhr die erste Hochrechnung über den Bildschirm flimmert. Dass die Freien Demokraten ihr bisher bestes Niedersachsenergebnis nur deshalb einfahren, weil sie mit über hunderttausend Leihstimmen so stark wie nie von der CDU profitierten, tut der Stimmung keinen Abbruch. Im Gegenteil. „Zweitstimme FDP. CDU-FDP statt Rot/Grün“, steht auf kleinen Plakaten, die einige Liberale in die Höhe recken.

„Das Rennen hat jetzt erst begonnen“, ruft Rösler mit kämpferischer Stimme später in die Runde. Der FDP-Vorsitzende wirkt aufgekratzt – und immens erleichtert zugleich. Denn dieses Wahlergebnis ist – Leihstimme hin oder her – endlich auch ein Erfolg für den aus Hannover stammenden Rösler. Mit FDP-Landeschef Stefan Birkner gab es keinen schillernden Spitzenkandidaten und Stimmenfänger wie 2012 in Schleswig-Holstein mit Wolfgang Kubicki oder in NRW mit Christian Lindner. Dann mahnt Rösler die Parteifreunde, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, nämlich auf Inhalte. Seine Kontrahenten wie den Fraktionschef erwähnt er mit keinem Wort.

„Wir alle freuen uns über das sensationelle Ergebnis für die ganze FDP“, gibt Brüderle, der noch vor wenigen Tagen einen vorgezogenen Parteitag wollte, pflichtschuldig zu Protokoll. Nun ja. Tatsächlich dürfte ihn das Traumergebnis in Niedersachsen allenfalls bedingt freuen. Denn im Machtkampf um den Parteivorsitz hat sich Rösler Luft verschafft. Nun wird es kaum möglich sein, ihn zum Rückzug zu bewegen. Jedenfalls nicht sofort. Rösler sei stabilisiert und gestärkt, meinen mehrere Abgeordnete.

Selbst Wolfgang Kubicki, seines Zeichens FDP-Fraktionschef in Schleswig-Holstein und Freund der gepflegten Attacke gen Berlin, stärkt Rösler tapfer den Rücken. Nun habe man „alle Zeit der Welt“, um die FDP für die Bundestagswahl „optimal“ aufzustellen. Von einem vorgezogenen Parteitag will Kubicki nichts mehr wissen.

Niebel, der am Dreikönigs-Treffen der Liberalen besonders eifrig an Röslers Stuhl gesägt hatte, will von seiner Kritik nicht ganz abrücken. Auch bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen habe die FDP sehr gute Ergebnisse erzielt. Im Bund aber habe man davon nicht profitiert.

Selbst wenn Rösler Parteichef bleiben sollte, steht den Liberalen nun die Debatte ins Haus, wer sie in den Bundestagswahlkampf führt. Brüderle dürfte hier eine tragende Rolle spielen, obwohl viele Liberale dem 67-Jährigen die Attacke auf Rösler so kurz vor der Landtagswahl übel nehmen. Schon heute will der FDP-Chef ein Team für seinen Bundestagswahlkampf vorschlagen.

Zwiespältige Gefühle bei der CDU

Im Gegensatz zur FDP ist die Stimmung bei der CDU in Berlin am Wahlabend angesichts der Zitterpartie zwiespältig. Generalsekretär Hermann Gröhe lobt die „Aufholjagd“ von Schwarz-Gelb und betont, dass die CDU weiter stärkste Partei ist. Aber das Ausmaß, in dem die Christdemokraten Stimmen verloren haben, nicht nur an die FDP, gibt auch den Parteistrategen in Berlin zu denken.

Für den Start ins Bundestags-Wahljahr hatten sich die Unions-Strategen ein anderes Signal gewünscht – zumal die Unruhe beim liberalen Koalitionspartner nicht vorüber sein dürfte.