Berlin. Die Vorzeige-Frau der Fundamentalisten in der Partei, Sahra Wagenknecht hat sich in Niedersachsen mit aller Kraft in den Wahl-Kampf geworfen - und verloren. Damit könnte der Weg frei sein für den Realo-Flügel um Gregor Gysi.

Die Niederlage in Niedersachsen wird eine Linkspartei-Politikerin besonders schmerzen: Sahra Wagenknecht hatte in einem Feuerwehr-Einsatz ihr ganzes politisches Gewicht in die letzten Tage des Landtagswahlkampfes geworfen. Die Genossen zwischen Nordsee und Harz waren auf keinen grünen Zweig gekommen und hatten Wagenknecht zu Hilfe gerufen, die dem Ruf gerne folgte. Genutzt hat es nichts: Nach Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein fliegt die Linke nun aus dem dritten Landtag in Folge.

Es ist nicht nur Wagenknecht, die sich eine blutige Nase in Hannover geholt hat. Verloren hat mit ihr auch der strikt sozialistische Flügel der Partei, dessen bekanntester Repräsentant neben Wagenknecht ihr Lebensgefährte, Ex-Linken-Chef Oskar Lafontaine ist.

Wagenknecht im Abseits - freie Fahrt für Gregor Gysi

Parteiintern wäre ein Einzug der Linken in den Landtag als Ritterschlag für Wagenknecht gewertet worden. Auch ein Ergebnis nur knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde hätte als Achtungserfolg gegolten. Die rund drei Prozent, die Hochrechnungen am Abend der Linkspartei vorhersagten, wurden von führenden Linken jedoch als klare und schmerzliche Niederlage bezeichnet.

Damit dürfte nun der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, freie Fahrt haben. Er hatte bereits Wagenknecht erfolgreich als gleichberechtigte zweite Fraktionsvorsitzende abgewehrt. Nun wird es ihm nicht schwerfallen, Wagenknecht auch vom Posten der zweiten Spitzenkandidatin fernzuhalten.

Noch am Sonntag wollte die Linken-Führung über ihre Wahlkampf-Aufstellung entscheiden. Offiziell soll sie am Montag vorgestellt werden. Als wahrscheinlich wurde am Sonntagabend ein Spitzenteam um Gysi als Wahlkampfkonstellation gehandelt.

Für was steht die Linke eigentlich?

Wichtiger noch als die Zusammensetzung des Spitzenteams ist aber die Frage, mit welchen Themen die Linkspartei aus ihrem Tief herauskommen will. Sie steht in den meisten politischen Debatten abseits. Die Linke werde mit kaum einem Thema identifiziert, klagte ein Spitzenfunktionär. So könnten keine Wahlen gewonnen werden. Im Twitter-Kurznachrichtendienst diagnostizierte Vorstandsmitglied Halina Wawzyniak, die Wahlniederlage habe nicht an schlechter Arbeit oder dem Wahlkampfengagement gelegen. "In Ruhe analysieren und auf Eigenständigkeit setzen! Details ansehen", forderte die Politikerin.

Weiterhin tiefe Gräben zwischen Ost und West

Diese Analyse aber kann schwierig werden. Obwohl seit dem Göttinger Parteitag im Juni, als die Linke vor der Spaltung stand, nicht mehr öffentlich gestritten wurde, ist der Graben zwischen den beiden Parteiflügeln noch nicht zugeschüttet. Immer noch stehen sich die meist in den ostdeutschen Landesverbänden vertretenen Pragmatiker und die mehrheitlich im Westen anzutreffenden Fundamentalisten gegenüber. Die Ersteren sind zur Regierungsbeteiligung bereit, die Letzteren befürworten im Zweifel einen strikten Oppositionskurs und verteidigen rote Linien, die Koalitionen nahezu unmöglich machen.

Es bleibt abzuwarten, ob mit der Wahlniederlage in Niedersachsen auch der fundamentalistische Flügel in der Partei geschwächt und damit ein Konsens in der Partei leichter werden könnte. Für die Linken dürfte dies essenziell sein. Sonst droht auch die Bundestagswahl zum Fiasko zu werden.