Hannover. . David McAllister oder Stephan Weil: Noch ist offen, wer künftig Niedersachsen regieren wird. Vor allen Dingen FDP und Rot-Grün hoffen am Sonntag auf neuen Rückenwind. Die FDP setzt dabei auf Hilfsstimmen vom bisherigen Koalitionspartner CDU.

Es ist 17.30 Uhr und das Restaurant Heidkrug arg zugeparkt. „Eine Hochzeit“, tippt der Taxifahrer. Nahe dran. Wie eine Feier ist es, und familiär geht’s auch zu, wenn David McAllister sich bei der CDU ansagt. In Osterholz-Scharmbeck ist es quasi ein Heimspiel. Der niedersächsische Ministerpräsident ist nebenan, im Landkreis Cuxhaven, zu Hause. Die Tische wurden zu Reihen zusammengeschoben, an die 180 Leute, kein Stuhl bleibt unbesetzt. Es ist der Tag nach dem TV-Duell. In der Nacht hatte McAllister kein Auge zugetan. „Das Adrenalin“, sagt er.

Alltäglich ist die Situation nicht. Der Mann ist gerade erst 42 Jahre alt geworden. Durch „eine glückliche Fügung“ wurde er Regierungschef. Er spielt auf den Aufstieg von Christian Wulff zum Bundespräsidenten im Jahr 2010 an. Den anschließenden Abstieg seines politischen Ziehvaters steckte McAllister vergleichsweise gut weg. Am Sonntag wird in Niedersachsen gewählt. McAllisters Job ist in Gefahr.

TV-Duell unentschieden

Zu Beginn des Wahlkampfs war er obenauf: „Mac dreht jetzt den Turbo richtig auf.“ Der Vorsprung von Rot-Grün vor Schwarz-Gelb ist auf einen Prozentpunkt geschrumpft. Aus dem TV-Duell letzte Woche ging keiner als klarer Sieger hervor, weder McAllister noch SPD-Herausforderer Stephan Weil.

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„Das Momentum ist nicht bei Rot-Grün“, analysiert Manfred Sohn, Spitzenkandidat der Linken. Es hat viel mit Psychologie zu tun, mit der euphorischen Frühform von Rot-Grün. Sohn muss unwillkürlich an seinen alten Fußballtrainer denken. „Jungs“, sagte der, „geht niemals als Sieger auf den Platz.“ In gewisser Weise kommt die Linke ins Spiel. Im TV-Duell wollte SPD-Mann Weil eine Kooperation nicht ausschließen.

Die FDP ist von der CDU abhängig und die von McAllister

Den FDP-Spitzenkandidaten Stefan Birkner treffen wir im Landtag, ein schlaksiger, jungenhafter Typ in aufgeräumter Stimmung. Trotz der Querelen in Berlin zieht die FDP an. Vom Start weg, mit den ersten Plakaten zielte man auf die Zweitstimmen und CDU-Anhänger ab. „Die Botschaft ist voll angekommen“, freut sich Birkner. McAllister ist mehr als hilfreich. Gestern warb er demonstrativ auf dem FDP-Parteitag dafür, ihre Koalition im Hannoveraner Landtag fortzusetzen.

Beide Lager wirken geschlossen. Die Grünen stellen ihre Differenzen mit der SPD zurück. Die FDP ist von der CDU abhängig und die von McAllister. Die guten Wirtschaftsdaten, Amtsbonus und Popularität sprechen für ihn. Der Sohn eines schottischen Soldaten ist halt der erste Ministerpräsident mit Migrationshintergrund. Ein Vorreiter.

Außerhalb der Landeshauptstadt, in der Weil Oberbürgermeister ist, kann es passieren, dass der 54-jährige auf der Straße unerkannt bleibt. Es käme nicht auf die Popularität, sondern auf die Konstellationen an, hat ihn Alt-Kanzler Gerhard Schröder getröstet. Weil ist ein ruhiger, fähiger Mann, der erste seit langem, der seinen Verband geeint hat. Die Bildungspolitik ist sein Anliegen: mehr Kita-Plätze, Schluss mit den Studiengebühren. „Das ist für mich eine Grundsatzfrage“, ruft er bei einer Debatte mit Jugendlichen aus. Wenn er gegen das Betreuungsgeld wettert, tobt jeder SPD-Saal.

Es fehlt das große Thema

Dem Wahlkampf fehlt aber das große polarisierende Thema. Alle gehen davon aus, dass der Ausgang den Bundestrend prägen wird. FDP-Bundeschef Philipp Rösler steht auf der Kippe, wenn die FDP aus dem Landtag in Hannover fliegen sollte. SPD-Mann Weil hatte intern eine frühe Nominierung des SPD-Kanzlerkandidaten befürwortet. Aber Peer Steinbrück agiert glücklos. Aufgegeben hat sich die SPD aber nicht. Sie kämpft. Hannelore Kraft war in Papenburg, Oldenburg, Ra­stede, Nienburg, Lüneburg und Garbsen. Andrea Nahles macht Hausbesuche.

Aber auch die Union behandelt die Wahl geradezu wie eine Generalprobe für den Bund. Auch sie mobilisiert. CSU-Chef Horst Seehofer tourt durchs Celler Land, Kanzlerin Angela Merkel tritt sieben Mal auf, fünf davon in dieser letzten Woche. In Stade ist das Interesse so groß, dass die Partei eine Warteliste führt.

Eng wird es. Geringe Verschiebungen – ein Mandat nur – können große Wirkung entfalten. Ob er am Sonntag vor der „Lindenstraße“ ins Studio kommen werde, wollte ein ARD-Mann vom Ministerpräsidenten wissen. Antwort: „Wir werden uns Zeit lassen.“

Die „Lindenstraße“ beginnt um 18.50 Uhr.