Emden/Berlin. . Der SPD-Kandidat wollte mal Sparkassen-Präsident werden. Nun redet er über die Gehälter von Sparkassen-Chefs und Kanzlern. Die SPD wird die lästige Gehaltsdebatte nicht los. Am Sonntag legte Steinbrück nach und fing sich Kritik aus Bonn ein, weil er der Stadt das Ende des doppelten Regierungssitzes voraussagte.

Peer Steinbrück wusste, wovon er sprach, als er darüber klagte, dass „nahezu jeder Sparkassendirektor in NRW“ mehr verdiene als die Kanzlerin. 1998 hat er selbst die Fühler ausgestreckt, um Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes in Schleswig-Holstein zu werden. Damals kam er nicht zum Zuge und ans große Geld. Die Geschichte war bekannt, aber längst vergessen. Nun hat die „FAS“ sie wieder ausgegraben.

Für die SPD und ihren Kanzlerkandidaten ist die Episode ein Ärgernis. Sie kommen nicht in die Offensive. Darunter könnte auch der Wahlkampf in Niedersachsen leiden, obwohl Spitzenkandidat Stephan Weil beteuert, die Debatte hinterlasse „keine Bremsspuren“.

Freitagabend, Emden, Nordseehalle: Neue Stühle werden herbeigeschafft, der Saal ist voll, über 1000 Leute. Steinbrück erwartet ein Heimspiel, Emden ist protestantisch und vor allem tiefrot. Selbst hier holt ihn die Geld-Debatte aber ein. Ein Mann brüllt: „Wo ist Ihr Kanzlergehalt?“

Steinbrück entschließt sich dazu, den Zwischenruf zu überhören. Er wusste, dass die Geldfrage im Raum ist: Seine Redehonorare, seine Klage über das zu niedrige Kanzlergehalt. Zu Beginn seines Auftritts hatte er versucht, die Klippen mit Ironie zu umschiffen. Er greift nach dem Mikrofon, aber geht nichts ans Rednerpult. Begründung: Er wolle nicht die große Rede halten und Bemerkungen machen, „die ich eventuell wieder einfangen muss“. Er sei nach Emden gekommen, um über Politik zu reden. Es ist so etwas wie die Sehnsucht seiner Kandidatur: Über Politik reden, nicht über Geld.

Die Grünen gehen auf Distanz zur SPD

Nur zwei Tage später muss er sich doch rechtfertigen. Nein, er wolle nicht so verstanden werden, als wollte er den Job nur machen, wenn mehr Geld dafür gezahlt wird. „Das ist wirklich Unfug“, beteuert Steinbrück im „Tagesspiegel“. Im Grunde sprach er nur aus, was viele auch denken: Dass die Kanzlerin im Verhältnis zu den Top-Jobs der Wirtschaft zu wenig verdient. „Ich sage, was ich denke.“

Er will sich nicht verstellen müssen – das ist es. Darauf angesprochen, beteuert Angela Merkel, „im Allgemeinen sage ich, was ich denke“. Merke: Man muss sich nicht um Kopf und Kanzlerschaft („Spiegel“) reden. Für den Herausforderer geht es um Authentizität, für die SPD auch um was anderes: Ob der Kandidat ihre Politik erklären kann. „Ich hätte mir gewünscht, dass Steinbrück sich auf die inhaltlichen Botschaften konzentriert, die er auf dem Parteitag sehr gut dargelegt hat“, sagte die Parteilinke Hilde Mattheis der „taz“.

Die Grünen gehen auf Distanz. Das Wort Minister komme von dienen, „nicht von verdienen“, sagte Stefan Wenzel, Spitzenkandidat der Grünen in Niedersachsen, der „FAS“. Auch die Sparkassen melden sich kritisch zu Wort. Dort kann man sich noch genau und detailreich daran erinnern, wie Steinbrück 1998 seine Chancen für den 400 000-Mark-Job als Präsident der Sparkassen von Schleswig-Holstein ausgelotet hatte.

Damals war er Wirtschaftsminister, aber mit Ministerpräsidentin Heide Simonis verkracht. Die wäre ihn zwar gern losgeworden, gönnte ihm aber nicht den gut dotierten Posten, so die „FAS“. Das Rennen machte ein anderer Genosse, Flensburgs OB Olaf Cord Dielewicz. Steinbrück hatte seinen Einfluss überschätzt. Seine Karriere litt nicht darunter. Bald wurde er nach NRW gerufen und dort Minister, später sogar Ministerpräsident und – vorläufiger Höhepunkt – Finanzminister der großen Koalition in Berlin. Man kann die Treppe rauffallen, vielleicht sogar im vermaledeiten Wahljahr 2013?

Der nächste Fettnapf von Peer Steinbrück?

Am Sonntag machte der Kanzlerkandidat der SPD noch einmal Schlagzeilen. Steinbrück hat seiner Heimatstadt Bonn das Ende des doppelten Regierungssitzes vorausgesagt – und ­dafür postwendend viel Kritik geerntet. „Das mag hier in Bonn nicht jeder gut finden. Die Zeiten von doppelten Stand­or­ten der Ministerien werden irgendwann zu Ende gehen“, sagte Steinbrück dem „Tagesspiegel am Sonntag“. Nach heftiger Kritik von SPD, Grünen, CDU und FDP, inbesondere von Politikern aus Bonn und Düsseldorf, stellte er im „General-Anzeiger“ in Bonn klar, dass er nicht den Sofort-Umzug aller Ministerien nach Berlin fordere. NRW-CDU-Chef Armin Laschet sagte im Kölner Stadtanzeiger zu der Steinbrück-Prognose: „Das ist kein normaler Fettnapf mehr.“ mit dapd