Berlin. Ohne Not trat SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am Wochenende eine Debatte über das Gehalt des Regierungschefs los. Nun prasselt Spott auf ihn herab. Nach der Debatte über seine Vortragshonorare steht Steinbrück wieder im Zentrum der Kritik.

SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück findet, dass Kanzler zu wenig verdienen. Das erklärte er in einem Interview und irritierte damit Freunde wie Gegner. „Ich finde die ganze Debatte abstrus“, sagte der Chef der NRW-CDU, Armin Laschet, zur WAZ. „Billig“ sei auch, dass Steinbrück die Popularität von Angela Merkel (CDU) als „Frauenbonus“ abtat.

Über ihren Sprecher Steffen Seibert ließ sie gestern erklären, das Gehaltssystem im Öffentlichen Dienst habe sich „alles in Allem bewährt“. Politisch ist Steinbrück inzwischen so in der Kritik, dass die CDU ihren Herausforderer nicht missen möchte. Laschet bekannte: „Als Christdemokrat hoffe ich, dass er Kanzlerkandidat bleibt. Hier an Rhein und Ruhr kennen ihn die Leute. Das hilft uns.“

Steinbrück hatte erklärt, ein Kanzler verdiene zu wenig - gemessen an der Leistung und im Verhältnis zu anderen Tätigkeiten. „Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin“, fügte Steinbrück hinzu.

Nach Ansicht von Altkanzler Gerhard Schröder werden die Politiker in Deutschland „angemessen bezahlt“. Wem die Bezahlung zu gering sei, „der kann sich ja um einen anderen Beruf bemühen“, sagte er der „Bild am Sonntag“. In der „FAS“ warnte der SPD-Abgeordnete Dieter Wiefelspütz davor, sich an Gehältern in der Wirtschaft zu orientieren: „Dann machen wir einen Fehler.“ Sein Kollege Hans-Peter Bartels betonte, ein Spitzenamt wie das des Kanzlers zu bekleiden, sei auch eine Ehre.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles nahm Steinbrück in Schutz. Er habe etwas ausgesprochen, „das schlicht stimmt“. Sie könne die Aufregung nicht nachvollziehen.

FDP und Linke fordern Untersuchungsausschuss 

Unterdessen geriet die Debatte über die Verbindung Steinbrücks zu einer Großkanzlei in den Hintergrund. Doch FDP und Linkspartei fordern unverdrossen eine Untersuchung der während seiner Zeit als Finanzminister vergebenen millionenschweren Aufträge an eine Anwaltsfirma.

Der FDP-Finanzexperte Volker Wissing verlangte, wegen der Zahlungen von 1,83 Millionen Euro an die Großkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer alle Bankenrettungsgesetze zu überprüfen, die unter Steinbrücks Federführung auf den Weg gebracht wurden. Linksparteivize Sahra Wagenknecht rief die FDP auf, dazu mit der Linken einen Untersuchungsausschuss einzurichten.

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Freshfields Bruckhaus Deringer hatte das Finanzministerium während Steinbrücks Amtszeit von 2005 bis 2007 unter anderem bei der Erstellung des Gesetzes zur Bankenrettung beraten. Für Aufregung hatte gesorgt, dass Steinbrück nach Ende seiner Amtszeit am 12. September 2011 bei der Kanzlei einen Vortrag gehalten hat, für den er 15.000 Euro Honorar kassierte.

Weil er für Nebentätigkeiten insgesamt weit über eine Million Euro eingenommen hatte, stand Steinbrück schon vor seiner Kandidaten-Nominierung in der Kritik.

Gerhard Schröder hat am Kanzlergehalt nichts auszusetzen 

Gerhard Schröder war wohl ahnungslos, als er nach dem Gehalt eines Kanzlers gefragt wurde. „Ich habe jedenfalls davon immer leben können“, antwortete er. „Wem die Bezahlung als Politiker zu gering ist, der kann sich ja um einen anderen Beruf bemühen“, sagte der Altkanzler der „Bild am Sonntag“. So harmlos wie sie klang, war die Frage indes nicht. Just sein Parteifreund und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück trat am Wochenende eine Debatte über das Gehalt des Regierungschefs los. Steinbrück findet, dass die Kanzlerin zu wenig verdient, sowohl „gemessen an der Leistung“ als auch verglichen mit anderen Tätigkeiten. „Nahezu jeder Sparkassendirektor in NRW verdient mehr“, empörte er sich.

Steinbrück argumentierte nicht in eigener Sache. Er forderte gerade nicht mehr Geld für den Fall, dass er Merkel im Herbst 2013 ablösen sollte. Trotzdem ließ der Widerspruch nicht lange auf sich warten. Er kam gerade von der SPD, die ein feines Sensorium für prekäre Jobs hat. „Mehr muss nicht sein“ – so empfanden es Abgeordnete wie Dieter Wiefelspütz oder etwa der Chef der schleswig-holsteinischen SPD, Ralf Stegner. SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider rief in Erinnerung: „Das ist die bestbezahlte Tätigkeit in der Bundesregierung mit Pensionsansprüchen, die durchaus angemessen sind.“

Die Kanzlerin kommt schätzungsweise auf brutto 290.000 Euro im Jahr, wenn man zum Grundgehalt von 247.200 Euro im Jahr 2013 dann noch die Zulagen und Zuschläge addiert. Auch sie muss Steuern zahlen, aber – wie Beamte – keine Beiträge für die Renten- und Arbeitslosenversicherung leisten. Sie selbst will am Gehaltssystem nichts ändern. Ihr Sprecher Steffen Seibert sagte der „Bild“, es gebe „ein in Jahrzehnten gewachsenes, ausgewogenes und auskömmliches Gehaltssystem“. Dies habe sich „bewährt“.

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Der Kandidat Steinbrück hatte die eigenen Anhänger am meisten verblüfft, als er sich zur Geldfrage äußerte. Man dachte, der Mann sei ein gebranntes Kind – nach der Debatte über seine Beraterhonorare, nach der Kritik daran, dass er als Finanzminister einer Kanzlei Aufträge in Höhe von 1,8 Millionen Euro gab und später – als Abgeordneter – für einen Vortrag 15 000 Euro von derselben Firma kassierte. Schon drängt die Linkspartei auf einen Untersuchungsausschuss zu Steinbrücks Kanzleibeziehungen.

Steinbrücks Kandidatur scheint unter keinem guten Stern zu stehen 

Auch sein Hinweis, dass Abgeordnete sieben Tage die Woche im Schnitt 12, 13 Stunden pro Tag arbeiteten, könnte auf ihn zurückfallen. Er jedenfalls fand noch Zeit für Vorträge, und wurde bei der einen oder anderen Abstimmung im Hohen Haus vermisst.

Seine Kandidatur scheint unter keinem guten Stern zu stehen. Hinter den Kulissen wird immer häufige gefragt, ob die SPD an ihm bis zur Wahl im September festhalten kann. Einen ersten Hinweis auf seine Zugkraft dürfte die Niedersachsen-Wahl am 20. Januar liefern.

Die Grünen vermeiden es, den SPD-Kanzlerkandidaten in Schutz zu nehmen. In der FDP und in der Union überwiegen die stillen Genießer. Man überlässt die Debatte der SPD. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und Fraktionschef Volker Kauder schwiegen auch noch, als Steinbrück im selben Interview Merkels Popularität als „Frauenbonus“ abtat.

Ein Vorwurf, der in den Augen von NRW-CDU-Chef Armin Laschet „billig“ ist. „Man müsste dann fragen, hatte Jürgen Rüttgers 2005 auch einen Frauenbonus, als er gegen Peer Steinbrück gewonnen hat?“, sagte Laschet unserer Zeitung. „Als Christdemokrat hoffe ich, dass er Kanzlerkandidat bleibt. Hier an Rhein und Ruhr kennen ihn die Leute“, bekannte Laschet. „Das hilft uns.“

In der Sache hat Steinbrück sogar Recht

Man kann Peer Steinbrück für seine Aussage zum Kanzlergehalt viel vorwerfen: schlechtes Timing oder mangelnden Instinkt etwa – fehlende Sachkenntnis aber nicht. Der Satz, dass nahezu jeder Sparkassendirektor in NRW mehr pro Jahr verdiene als Bundeskanzlerin Angela Merkel stimmt. Selbst in kleineren Städten ist deren Jahresgehalt höher als die rund 247.000 Euro, die Merkel erhält.

Die drei Vorstände der Sparkasse im westfälischen Unna (66 000 Einwohner) bekamen 2010 zwischen 270.000 und knapp 300.000 Euro. In größeren Städten und Kreisen ist der Unterschied noch größer. Im selben Jahr bekam Dortmunds Sparkassenchef 477.000 Euro, der Vorstand der Sparkasse Köln/Bonn 578.000 Euro.

Dabei erwerben die Vorstände ebenso wie Politiker Ansprüche auf Pension. Allein die Sparkasse Dortmund hat laut Geschäftsbericht im Jahr 2010 37 Millionen Euro für Pensionen aktiver und sich bereits in Rente befindlicher Vorstandsmitglieder zurückstellen müssen.

Die Pensionsansprüche der Politiker sind unterschiedlich. Im NRW-Landtag hat laut Steuerzahlerbund ein heute 30 Jahre alter Abgeordneter bei 10.726 Euro Diäten im Monat nach zehn Jahren einen Rentenanspruch von 2543 Euro monatlich. Bundestagsabgeordnete erhalten nach zehn Jahren 1990 Euro Pension bei einem Verdienst ab Januar 2013 von 8252 Euro.

Zum Vergleich: Angestellte Durchschnittsverdiener mit einem Monatsgehalt von 2625 Euro bekommen nach zehn Jahren Berufstätigkeit 274 Euro.