Beirut. . Im Syrien-Konflikt sind nach Angaben der Vereinten Nationen mittlerweile rund 60.000 Menschen getötet worden. UN-Menschenrechtskommissarin Pillay sprach von “wirklich schockierenden“ Zahlen. Bei einem Luftangriff auf eine Tankstelle nahe Damaskus wurden am Mittwoch dutzende Menschen getötet.

Mit einer neuen Welle der Gewalt hat das neue Jahr in Syrien begonnen. Bei einem schweren Luftangriff auf eine Tankstelle nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus kamen nach Angaben von Aktivisten am Mittwoch zahlreiche Menschen ums Leben. Rebellen griffen im Norden des Landes mindestens drei Flughäfen an und lieferten sich schwere Gefechte mit Regierungstruppen. Angesichts der eskalierenden Gewalt korrigierten die Vereinten Nationen die Zahl der Toten seit Beginn des Konflikts deutlich nach oben und bezifferten die Opfer auf mindestens 60.000.

Ein Kampfflugzeug vom Typ MiG habe am Mittwoch eine Rakete auf eine Tankstelle im Damaszener Vorort Mleiha abgefeuert, berichtete der örtliche Aktivist Mohammed Said via Skype. Bei dem Angriff seien Dutzende Menschen getötet oder verletzt worden, teilte die in Großbritannien ansässige syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit.

Aktivisten beschrieben nach dem Angriff ein regelrechtes Inferno. Auf einem Amateurvideo waren ein rund ein Meter tiefer Krater und mindestens zehn Leichen zu sehen. Mehrere Autos standen in Flammen und schwarze Rauchsäulen stiegen zum Himmel auf. Das Video wirkte authentisch und stand im Einklang mit weiteren Berichten über den Vorfall. "Viele der Leute, die da waren, wurden getötet", sagte Aktivist Said. "Auf dem Boden liegen Leichenteile." Zum Zeitpunkt des Angriffs hätten viele Fahrer mit ihren Autos vor der Tankstelle gewartet. Wegen der Treibstoffknappheit im Land stehen die Menschen oft stundenlang für Benzin an.

Angriffe auch auf andere Vororte von Damaskus

Warum die syrische Luftwaffe die Tankstelle angriff, war zunächst unklar. In den vergangenen Tagen war es in der Nähe bereits zu Gefechten zwischen Aufständischen und Regierungstruppen gekommen. Nach Angaben von Aktivisten flog die Luftwaffe auch Angriffe auf die Damaszener Vororte Maadamije und Deir al Asafir. "Seit gestern waren die Luftangriffe sehr heftig", sagte Said am Mittwoch.

Unterdessen bezifferten die UN die Zahl der Todesopfer seit Beginn des Aufstands gegen die Regierung von Präsident Baschar al Assad vor 22 Monaten auf mindestens 60.000. Aktivisten und die Opposition waren bislang von rund 45.000 Toten ausgegangen. Das Hohe Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte teilte am Mittwoch mit, Experten hätten Opferzahlen von sieben verschiedenen Quellen, darunter auch Regierungsangaben, ausgewertet und seien für die Zeit zwischen 15. März 2011 und 30. November 2012 auf 59.648 Todesopfer gekommen. "Wir gehen davon aus, dass bis Anfang 2013 mehr als 60.000 Menschen getötet wurden", sagte UN-Menschenrechtsbeauftragte Navi Pillay.

Angesichts des hohen Blutzolls kritisierte sie das internationale Krisenmanagement. "Das Versagen der internationalen Gemeinschaft - vor allem des Weltsicherheitsrats - etwas zu tun, um das Blutvergießen zu beenden, beschämt uns alle", sagte Pillay. "Wir alle haben an den Rändern herumgedoktert, während Syrien brennt."

Eine halbe Million Menschen aus Syrien geflohen

Nach UN-Angaben verlassen wegen der eskalierenden Gewalt zudem immer mehr Menschen das Bürgerkriegsland. Die Zahl der syrischen Flüchtlinge in den Nachbarstaaten sei im Dezember auf rund eine halbe Million gestiegen, teilte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) am Mittwoch in Genf mit. Allein 84.000 Menschen seien im Dezember aus ihrer Heimat geflohen. In den Nachbarländern seien derzeit 478.000 Flüchtlinge registriert, insgesamt hätten sich 569.000 Syrer in die Nachbarländer abgesetzt. Mit 150.000 registrierten Flüchtlingen hat die größte Gruppe in der Türkei Schutz gesucht, wie das UNHCR mitteilte. 130.000 Syrer seien in den Libanon geflohen und 120.000 weitere nach Jordanien.

Unterdessen wurden die Kämpfe im Norden des Landes immer heftiger. Rebellen griffen am Mittwoch einen Militärflugplatz nahe der Ortschaft Taftanas in der Provinz Idlib an. Unter den Kämpfern waren nach Angaben von Aktivisten auch Anhänger von Dschabhat al Nusra. Die islamistische Gruppe gilt als militärisch besonders schlagkräftig und war in den vergangenen Monaten immer häufiger an erfolgreichen Einsätzen der Aufständischen beteiligt.

Auf im Internet veröffentlichten Videos war zu sehen, wie sie die Hubschrauberbasis mit schweren Maschinengewehren beschossen. Die syrischen Streitkräfte verteidigten das Gelände den Angaben zufolge mit Helikoptern und töteten vier Aufständische, ein Hubschrauber wurde von Gegenfeuer getroffen. Auch vom Flughafen Mannag in der Provinz Aleppo und dem internationalen Flugplatz in Aleppo wurden schwere Gefechte gemeldet.

Wegen der immer gefährlicheren Lage im Land stellte der philippinische Hafenbetreiber International Container Terminal Services seinen Betrieb in der syrischen Küstenstadt Tartus ein und holte alle seine philippinischen Arbeiter nach Hause. Der Rückzug könnte den Betrieb des Hafens empfindlich treffen. Das Unternehmen sei der einzige Dienstleister für dem Umschlag von Containern in Tartus gewesen, sagte Vizepräsident Hans-Ole Madsen am Mittwoch. (dapd)