Washington. Die Weltgemeinschaft stellt den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad ins Abseits. Die Syrien-Freundesgruppe aus über 125 Staaten und Organisationen hat das Oppositionsbündnis Nationale Koalition als „legitime Vertretung des syrischen Volkes“ anerkannt. Die Widerstandsbewegung sieht sich gestärkt.
Die internationale Gemeinschaft stärkt den Gegnern des syrischen Machthabers Assad erstmalig breit den Rücken. Ahmed Muas al-Chatib, Vorsitzender der vor einem Monat gegründeten „Nationalen Koalition“ der zersplitterten Revolutions- und Oppositionskräfte, darf sich seit gestern als von rund 130 Ländern und Organisationen allein anerkannter Gesprächspartner für die Zukunft Syriens fühlen.
Nachdem US-Präsident Obama in einem Fernsehinterview die diplomatische Aufwertung angekündigt hatte, vollzog die in der Gruppe „Freunde Syriens“ versammelte Staatengemeinschaft (ohne Russland, China und Iran) den Schritt am Mittwoch in Marrakesch nach und rief Assad erneut zum Rücktritt auf.
Syrien vor dem Zerfall
Al-Chatib, 52, Geologe, früher Imam der bekannten Omajjaden-Moschee in Damaskus, wird mit großen Hoffnungen konfrontiert. US-Präsident Obama erwartet von der Opposition den verantwortungsvollen Aufbau einer Übergangsregierung, den Schutz von Minderheiten und Frauen und das entschlossene Zurückdrängen radikal-islamischer Kräfte.
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Bei dem Treffen in Marokko standen mit Blick auf den Winter humanitäre Fragen im Mittelpunkt. Syrien steht vor dem Zerfall. Die Rebellen gewinnen schrittweise die Oberhand. In der Assad-Hochburg Damaskus sind sowohl der Flughafen wie der Palast des Präsidenten nach Berichten der „New York Times“ von Regierungsgegnern belagert. Nach fast 22 Monaten Bürgerkrieg und über 42 000 Toten sind mehr als zwei Millionen Syrer auf der Flucht. In den Grenzgebieten spitzt sich die Versorgungslage nach Angaben von Hilfsorganisationen in den Flüchtlingslagers wegen der kalten Temperaturen zu. Deutschland sagte zusätzliche Hilfsgelder in Höhe von 22 Millionen Euro zu.
Unzufrieden mit USA
Oppositionschef Al-Chatib lehnte in Marrakesch eine in Teilen des Westens diskutierte militärische Intervention in Syrien, um den Sturz des Assad-Regimes zu beschleunigen, kategorisch ab. Dahinter steht laut US-Medien eine tiefe Unzufriedenheit über die amerikanische Zurückhaltung bei seit langem von den Rebellen geforderten Waffenlieferungen. „Anerkennung ist gut und schön, was wir früher gebraucht hätten, sind schwere Waffen“, wird ein Sprecher der aus einer Unzahl von Grüppchen und rivalisierenden Kommandeuren bestehenden Opposition zitiert.
Die US-Regierung befürchtet nach wie vor, dass geforderte Flugabwehr-Raketen in die Hände islamistischer Terror-Netzwerke gelangen könnten und in den anstehenden Verteilungskämpfen in der Zeit nach Assad zum Einsatz kommenn. Washingtons jüngste Entscheidung, die in Syrien sehr aktive Dschabhat al-Nusra-Gruppe als Terror-Organisation einzustufen und finanziell auszutrocknen, ist aus Sicht von Sicherheitsexperten für Oppositionsführer Al-Chatib eine „große Hypothek“.
Kritik aus Moskau und Peking
Die aus dem Irak gesteuerten Milizen, die zuletzt mehrere Militärbasen des Regimes einnahmen, gelten „als wirkungsvollste Kraft im Kampf gegen die militärisch immer noch überlegene syrische Armee“, sagte ein Nahost-Experte der Denkfabrik Brookings. Ihre Forderung, nach Assads Sturz eine islamischen Staat in Syrien zu errichten, hat in Washington die Alarmglocken schrillen lassen. Al-Chatibs Forderung, den De-Facto-Ausschluss der Al-Nusra-Front aus der syrischen Opposition rückgängig zu machen, wird darum unerfüllt bleiben.
Als Hindernis für eine lückenloses internationales Auftreten gegen Assad erweist sich weiter der Widerstand Moskaus und Pekings. Russlands Außenminister Lawrow bezeichnete das diplomatische Upgrade der Opposition offiziell als Wortbruch der USA, weil dem Assad-Lager dadurch jede Legitimität abgesprochen worden sei. Bei politischen Gesprächen in Washington ließen russische Diplomaten dagegen in den vergangenen Tagen im Gespräch mit Journalisten durchblicken, dass „Assad am Ende ist und keine reale Chance mehr hat, seine Machtposition neu zu festigen“.