Kairo. Nach den gewaltsamen Protesten gegen Präsident Mursi bleibt die Lage in Ägypten angespannt - daran hat bislang auch Mursis Aufruf an die Opposition zum “Dialog“ nichts geändert. Die Opposition rief weiter zu Protesten gegen den Muslimbruder auf.

Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi hält trotz der schweren politischen Krise im Land an den Plänen für ein Referendum über den umstrittenen Verfassungsentwurf fest. Bei einer am Donnerstagabend im Staatsfernsehen übertragenen Rede machte Mursi keine nennenswerten Zugeständnisse an die Opposition. Er rief sie zwar zu einem Dialog auf, weigerte sich aber von seinem Vorhaben für ein Referendum abzuweichen oder die Ausweitung seiner Machtbefugnisse zurückzunehmen.

Einen Tag, nachdem bei Straßenschlachten zwischen seinen Gegnern und Anhängern mindestens sechs Menschen getötet und fast 700 verletzt worden waren, beschuldigte Mursi Mitglieder der Opposition, dem gestürzten Regime von Husni Mubarak zu dienen. Er werde es nicht tolerieren, dass irgendjemand im Land am Sturz einer rechtmäßigen Regierung arbeite, sagte Mursi.

Mursi-Gegner halten Schuhe in die Höhe

Rund 30.000 Mursi-Gegner, die sich in der Nähe des Präsidentenpalastes in Kairo versammelt hatten, hielten in Verachtung ihre Schuhe in die Höhe, als sie seiner Rede zuhörten. Andere stimmten den Protestruf des Arabischen Frühlings an: "Das Volk will das Regime stürzen."

Mursi lud alle Teile der Opposition zu einem "umfassenden und produktiven" Dialog ein, der am Samstag in seinem Amtssitz beginnen solle. Allerdings machte er keine Andeutungen, dass er bei den Gesprächen nennenswerte Zugeständnisse machen würde.

Mursi hält an Ausweitung seiner Machtbefugnisse fest

Die Opposition hatte bereits zuvor erklärt, dass sie zu keinem Dialog mit dem Präsidenten bereit sei, solange er nicht den von den Islamisten durchgeboxten Verfassungsentwurf verwerfe und seine Dekrete zurücknehme, mit denen er sich selbst fast unbegrenzte Macht verliehen hatte. Das Referendum über die umstrittene Verfassung werde wie geplant am 15. Dezember stattfinden, sagte Mursi in seiner Rede. Er verteidigte einmal mehr auch die umstrittene Ausweitung seiner Machtbefugnisse. "Es ist meine Pflicht, Einrichtungen der Nation zu schützen", sagte er. Dabei spielte er erneut auf eine Verschwörung gegen das Land an, die ihn zu der Ausweitung seiner Machtbefugnisse bewegt habe. Details nannte er nicht.

Mursi habe mit seiner Rede gezeigt, "dass er kein Präsident für alle Ägypter ist, sondern lediglich der Vertreter der Muslimbruderschaft auf dem Präsidentenposten", sagte ein Sprecher der Opposition, Hussein Abdel Ghani, im Staatsfernsehen.

US-Präsident Barack Obama wandte sich in einem Telefongespräch an Mursi, um ihm seine Bedenken angesichts der tödlichen Zusammenstöße in Kairo mitzuteilen. Obama habe Mursi darauf hingewiesen, dass der Präsident und andere politische Führer Ägyptens ihren Anhängern deutlich zu verstehen geben müssten, dass Gewalt inakzeptabel sei, teilte das Weiße Haus am Donnerstagabend (Ortszeit) mit. Obama begrüße Mursis Aufruf zu einem Dialog mit der ägyptischen Opposition. Ein derartiger Dialog sollte allerdings ohne Vorbedingungen stattfinden, hieß es. (dapd)