Washington. . Syriens Vizeaußenminister soll bereits in Kuba, Nicaragua, Venezuela und Ecuador angefragt haben. An den angeblichen Giftgas-Plänen gibt es immer mehr Zweifel.

Syriens Präsident ist längst Gefangener im eigenen Palast. Russische Besucher aus dem Kreml, die den einst allmächtigen Bashar al Assad kürzlich besuchten, fanden ihn depressiv vor. Der 47-Jährige weiß, dass er seine Haut nicht mehr retten kann, sein Regime den Kampf verloren und er Syriens Zukunft zerstört hat. „Er lebt in dem Gefühl, so oder so getötet zu werden“, sagte Fyodor Lukyanov, Herausgeber einer russischen Zeitschrift für Außenpolitik, der „New York Times”. Assad stecke in der Falle, was sein persönliches Überleben angehe. „Versucht er zu fliehen, bringen ihn seine eigenen Leute um. Bleibt er dort, werden ihn seine Gegner töten.“

Persönliche Briefe

Trotzdem schickte Assad offenbar in der vergangenen Woche seinen Vizeaußenminister nach Lateinamerika, um nach einem möglichen Asylland für sich und seine Familie zu suchen. Nach Informationen der israelischen Zeitung „Haaretz“ reiste Fayssal Mekdad nach Kuba, Nicaragua, Venezuela und Ecuador, mit im Gepäck jeweils persönliche Briefe Assads an die jeweiligen Staatschefs. Auch einige Länder der arabischen Welt hatten sich bereits vor Monaten bereit erklärt, Assad Asyl zu gewähren. Die USA ließen durchblicken, sie seien über alle Bemühungen im Bilde. Von der engsten Familie Assads scheint nur noch Ehefrau Asma mit den drei Kindern in Damaskus zu sein, wo der Bürgerkrieg weiter eskaliert.

„Syrische Regierungstruppen warten nur noch auf den Befehl von Diktator Assad, bereits mit Nervengift präparierte Bomben gegen das eigene Volk einzusetzen.“ Mit dieser Meldung hat der US-Fernsehsender NBC gestern die Sorge vor einem Chemiewaffen-Einsatz des Assad-Regimes auf einen neuen Höhepunkt getrieben. NBC-Pentagon-Experte Jim Miklaszewski beruft sich exklusiv und unwidersprochen auf anonyme Experten in der US-Administration.

Danach seien an mehreren syrischen Lagerstätten die getrennt aufbewahrten Substanzen für das Nervengift Sarin gemischt und auf Fliegerbomben installiert worden. Für den Fall, dass Assad sie einsetze, könne die internationale Gemeinschaft „nichts mehr tun, um das zu verhindern“, zitierte NBC einen Regierungsbeamten. Äußerungen, die in Sicherheitskreisen gelesen werden wie die indirekte Aufforderung zum Eingreifen.

Erinnerungen an den Irak

Syriens Vize-Außenminister Faisal Mekdad nannte die Chemiewaffen-Vorwürfe eine Verschwörungstheorie. „Wir haben gesagt, dass wir solche Waffen, falls sie denn in Syrien existieren sollten, nicht gegen das syrische Volk einsetzen würden.“ Weil US-Berichte über die angeblichen Giftgas-Aktivitäten nicht überprüfbar sind, ziehen Beobachter erste Parallelen zur Irak-Invasion vor zehn Jahren. Präsident George W. Bush behauptete damals, Saddam Hussein sei im Besitz von Massenvernichtungswaffen. Wie sich später herausstellte, war dies eine glatte Lüge.

Den Beteuerungen der syrischen Regierung wird innerhalb der Nato nur eingeschränkt Glauben geschenkt. In Brüssel regte Generalsekretär Rasmussen laut „Süddeutscher Zeitung“ an, sich innerhalb des Bündnisses aber mit der Frage einer militärischen Intervention in Syrien zu beschäftigen; vor allem mit Blick auf eine mögliche Blockade der für die weltweite Ölversorgung wichtigen See-Straße von Hormus. Der Aufruf fand laut US-Medien vor allem bei Deutschland, Tschechien und den Niederlanden keine Gegenliebe.

Nach Informationen dieser Zeitung hält der Bundesnachrichtendienst die in den Medien bekannt gewordenen amerikanischen Erkenntnisse über angebliche Vorbereitungen eines Giftgaseinsatzes bisher nicht für überzeugend. In Berlin wird dem Vernehmen nach nicht ausgeschlossen, dass die USA getrieben wird von der Angst, die weltweit drittgrößten Chemiewaffen-Bestände könnten islamistischen Terroristen in die Hände fallen, wenn Assad weg ist.