Washington. Im syrischen Bürgerkrieg ist die Sorge vor einem Einsatz von Giftgas akut gewachsen. US-Geheimdienste haben mit Satelliten und Aufklärungsdrohnen „irritierende Aktivitäten“ in verschiedenen Lagerstätten festgestellt, wie es in Sicherheitskreisen in Washington heißt.
Im syrischen Bürgerkrieg ist die Sorge vor einem Einsatz von Giftgas akut gewachsen. US-Geheimdienste haben mit Satelliten und Aufklärungsdrohnen „irritierende Aktivitäten“ in verschiedenen Lagerstätten festgestellt, wie es in Sicherheitskreisen in Washington heißt.
Danach wird nicht ausgeschlossen, dass syrische Regierungskräfte bereits mit der Mischung von chemischen Waffen wie Sarin begonnen haben, weil sich das Regime zunehmend in die Enge getrieben fühlt.
Obamas Rhetorik wird schärfer
US-Präsident Barack Obama verschärfte umgehend die Rhetorik gegenüber Baschar al Assad. Sollte der Diktator Anstalten machen, Chemiewaffen scharf zu machen und einzusetzen, überschreite er eine rote Linie. „Der Einsatz von chemischen Waffen ist und wäre völlig inakzeptabel“, sagte Obama bei einem Symposium am „National War College“ in Washington. „Wenn Sie den tragischen Fehler begehen, diese Waffen einzusetzen, wird dies Konsequenzen haben und Sie werden dafür zur Verantwortung gezogen“, wandte sich Obama direkt an Assad.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und Bundesaußenminister Guido Westerwelle schlossen sich Obamas Aussagen nahezu wortgleich an.
Syrien verfügt über die drittgrößten Chemiewaffenbestände
US-Regierungssprecher Jay Carney bestätigte indirekt, dass es sich bei Obamas Aussagen auch um die Androhung eines Militärschlages gehandelt habe. „Alle Optionen sind auf dem Tisch. Notfallpläne zu erarbeiten, ist jetzt angesagt.“ Der in Syriens Nachbarland Jordanien stationierten, 150 Mann starken US-Einsatztruppe, kommt bei den Vorbereitungen besondere Bedeutung zu.
Syrien reagierte umgehend. Der inzwischen nach Großbritannien geflohene Sprecher des Außenministeriums, Dschihad Makdissi, erklärte, Damaskus werde Chemiewaffen niemals einsetzen. Syrien besitzt nach Russland und den USA die drittgrößten Chemiewaffenbestände weltweit, hat dies aber bis vor kurzem komplett geleugnet. Die Vorräte wurden über Jahrzehnte mit Hilfe des Iran und Russlands aufgebaut; als Mittel der Abschreckung gegen Israel.
Was hat Syriens Diktator Assad mit den Chemiewaffen vor?
Befürchtungen, dass der sich an die Macht klammernde Diktator Assad Raketenköpfe mit Giftkanistern bestücken lässt und gegen das eigenen Volk oder Nachbar Israel einsetzen könnte, gab es in diesem Jahr schon mehrfach. Stets stritt Damaskus die Anschuldigungen ab. Obwohl US-Geheimdienste Transporte von Chemiewaffen-Beständen festgestellt hatten, zuletzt in die Region um die Hafenstadt Tartus - Hochburg der Volksgruppe der Alawiten, zu denen auch Assad gehört.
US-Verteidigungsminister Leon Panetta hatte bereits vor Tagen öffentlich erklärt, dass sich Amerika auf den Fall vorbereite, dass die syrische Armee entweder die Kontrolle über die rund 75 im ganzen Land verteilten, teils unterirdischen Lagerstätten verlieren oder Chemiewaffen der schiitischen Hisbollah-Miliz überlassen sollte, die eng mit dem Iran kooperiert und Israel in Feindschaft verbunden ist.
Vereinte Nationen ziehen Personal aus Syrien ab
Auch wenn Washington jede konkrete Äußerung darüber vermeidet, wie eine Reaktion aussehen wird, betonen Sicherheitsexperten im Außen- wie im Verteidigungsministerium, dass ein militärischer Präventivschlag zur Vernichtung der getrennt aufbewahrten Grundstoffe für Sarin, Senfgas, Tabun oder das schon in kleinsten Mengen tödliche Nervengift VX das wirksamste Mittel sei. „Wenn diese Substanzen bereits gemischt und auf Waffenträger montiert sind, verbietet sich eine Bombardierung fast, weil dann todbringende Gase austreten und je nach Windrichtung viele Menschen töten könnten“, sagte ein Sicherheits-Experte des Brookings-Instituts. Im August hatten US-Militär-Experten erklärt, dass für die Sicherung der C-Waffen-Bestände bis zu 75 000 Soldaten notwendig seien.
In die Debatte um einen drohenden Chemie-Waffen-Einsatz fällt die Entscheidung der Vereinten Nationen, aus Sicherheitsgründen ab sofort sämtliche Missionen einzustellen und das Personal (knapp 1000 Mitarbeiter) weitgehend außer Landes zu schaffen. Zuletzt waren Hilfstransporte immer wieder zwischen die Fronten geraten.