Rom. . Bundespräsident Joachim Gauck war am Donnerstag auf Vatikan-Visite. Dabei traf ein protestantischer Pastor auf das Oberhaupt der Katholiken. Sie sprachen über Gott und die Welt – aber nicht über Luther.
Der Präsident, ein Pilger. Kurz streicht die Hand über das alte Metall, bevor sich Joachim Gauck zum Weitergehen wendet. Seit 800 Jahren thront in Bronze gegossen der Heilige Petrus, blankgescheuert ist sein rechter Fuß von den Berührungen unzähliger frommer Besucher. Vor dieser Statue hat Martin Luther schon gestanden, als er 1510 in Rom weilte.
Ein deutsches Staatsoberhaupt im Vatikan, das ist immer mehr als nur ein protokollarisches Ereignis. Es ist auf Schritt und Tritt eine Begegnung auch mit deutscher Geschichte. Einige Meter von der Statue entfernt liegt im Mittelschiff des Petersdomes im Fußboden eingelassen die Porphyrplatte, auf der am Weihnachtstag des Jahres 800 Karl der Große kniete, als er die Kaiserkrone empfing. Das sei doch ein passender Ort für einen Präsidenten, meint ein Begleiter aus dem vatikanischen Gefolge. „Ich bin ein Bürgerpräsident“, kontert Gauck.
Für Gauck ist Luthers Lehre Lebensmittelpunkt
„Ich komme als Bundespräsident, der seinen Landsmann grüßt, vor allem aber als Mensch und Christ“, wird er später im Vorraum der Privatbibliothek Benedikts XVI. den Papst anreden, bevor sich beide zur Privataudienz zurückziehen. Dass dies für ihn weit mehr ist als eine übliche Staatsvisite, daraus macht auch Gauck kein Geheimnis. Der einstige protestantische Pastor, der sich nachdrücklich dazu bekennt, dass ihm Luthers Lehre die Mitte des eigenen Lebens bedeutet, trifft das Oberhaupt der katholischen Kirche.
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Möglichst früh in den Vatikan zu reisen, war dem Präsidenten ein Anliegen. Weil dieser Papst ein Landsmann ist. Aber auch als ökumenisches Signal. „Die meisten Christen in Deutschland sind katholisch, ich möchte, dass wir dem katholischen Teil ganz freundschaftlich und offen begegnen“, sagt Gauck. „Ich möchte den deutschen Katholiken zeigen, dass dieser Bundespräsident zwar evangelisch, aber ihnen zugewandt ist.“
Man spricht über Politik – und sorgt sich um Europa
Eine Viertelstunde länger als vorgesehen dauert die Privataudienz. Von einer Begegnung, „die auch geistlichen, aber vor allem politischen Inhalts war“, wird Gauck anschließend berichten: „Es war ein herzliches Einverständnis.“
Gemeinsame Sorgen verbinden den Besucher mit dem Papst. Das Anliegen, „die Idee von Europa nicht aufzugeben“, der Finanzkrise und den politischen Verwerfungen zum Trotz. Dass es zur europäischen Einigung kein „wirkliches Gegenmodell“ gibt, ist Gaucks Überzeugung. In der Krise agiere Deutschland selbstbewusst, aber keineswegs arrogant: „Die Bundesregierung ist dem europäischen Gedanken treu geblieben“, lautet die Botschaft, an der dem Präsidenten auch hier im Vatikan gelegen ist.
Von Wittenberg ist nicht die Rede
Die andere Sorge: „Dass wir das tiefe Wissen teilen können, dass die Welt etwas verliert, wenn sie Gott verliert“, so Gauck. Von „Wittenberg“, von der Reformation, deren 500. Jubiläum in einigen Jahren bevorsteht, sei zwischen ihm und dem Papst nicht die Rede gewesen.
Eine besondere Staatsvisite ist es nicht zuletzt für den einstigen Bürgerrechtler und Oppositionellen in der DDR. Vor dem Altar in einer Seitenkapelle des Petersdomes, wo zwischen Bronzestatuen der Päpste Pius XI. und Pius XII. die sterblichen Überreste Johannes Pauls II. hinter Marmor ruhen, verharrt er in stummer Einkehr: „Es war meine feste Absicht hier zu stehen und im Gebet ihm nahe zu sein.“
Aus seiner Bewunderung für die Kraft des polnischen Katholizismus im Widerstand gegen das kommunistische Regime macht Gauck keinen Hehl. An diesem Tag im Vatikan, als Präsident, Bürgerrechtler, Pilger, Protestant.